Die Wohnungsmisere im Land erfasst längst nicht nur Geringverdiener, die aber in voller Schärfe. Foto: privat

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Baden-Württemberg trifft große Teile der Gesellschaft. Im Rahmen einer Aktionswoche ermahnt der Deutsche Gewerkschaftsbund die Landesregierung zu einer aktiveren Wohnraumpolitik.

Stuttgart - Dass Wohnungssuche eine nervenaufreibende und am Ende teure Angelegenheit ist, weiß jeder, der sich ihr nicht entziehen kann. Der Wohnraummangel und explodierende Mieten treffen längst nicht nur die Menschen, die mit jedem Euro rechnen müssen. Weil mittlerweile das Gros seiner Mitgliedschaft davon tangiert ist, nimmt sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit einer Aktionswoche dieses Themas an.

Bundesweit gibt es dazu noch bis Freitag mehr als 200 Veranstaltungen – in Baden-Württemberg 23. So werden die Bürger an diesem Donnerstag auf dem Stuttgarter Schlossplatz zur Diskussion in ein aufblasbares „Wohnzimmer“ eingeladen. Zugleich will DGB-Landeschef Martin Kunzmann der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) ein wohnungspolitisches Positionspapier übergeben.

An die 500 000 Wohnungen zu wenig auf dem Markt

„Baden-Württemberg wird voraussichtlich bis 2025 um mehr als eine Million Menschen auf dann rund zwölf Millionen Einwohner wachsen – das heißt, es fehlen zwischen 400 000 und 500 000 Wohnungen“, argumentiert Kunzmann. In allen Städten und fast allen Landkreisen mangele es an bezahlbarem Wohnraum. Daher müssten die Bauaktivitäten massiv verstärkt werden. 70 000 neue Wohnungen pro Jahr mit einer Quote von zehn Prozent Sozialwohnungen fordert der DGB. 2017 seien nach den neuesten verfügbaren Zahlen jedoch lediglich rund 33 500 Einheiten fertiggestellt worden.

Ein erheblicher Teil der Entgelterhöhungen fließe direkt in die Taschen der Vermieter und Immobilieninvestoren. Wer weniger als das Durchschnittseinkommen verdient, gebe in den Großstädten weit mehr als ein Drittel seines Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus. Die sogenannte Mietbelastungsquote von 30 Prozent gelte als kritischer Wert, weil darüber hinaus die Spielräume für den Lebensunterhalt und die Altersvorsorge bedenklich eingeengt würden. In Stuttgart seien die Angebotsmieten seit 2014 um rund 26 Prozent gestiegen, in Heilbronn sogar um 40 Prozent. In Mannheim beträgt die Steigerungsrate 24 Prozent, in Heidelberg 23, in Freiburg 18 und in Karlsruhe 15 Prozent.

Wohnungen für Geringverdiener besondere Mangelware

Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fehlen allein in den neun baden-württembergischen Großstädten rund 155 000 bezahlbare Wohnungen für Menschen, die weniger als das Durchschnittseinkommen verdienen – in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Ulm, Freiburg, Heilbronn, Reutlingen und Pforzheim. Von der Landesregierung verlangt der DGB daher eine aktivere Wohnraumpolitik. Grüne und CDU müssten ihre „Verweigerungshaltung“ aufgeben, moniert Kunzmann. „Die Umsetzung des Landeswohnraumförderprogramms geht nur schleppend voran.“ Von den Fördermitteln seien im Vorjahr immerhin 108 Millionen Euro nicht verwendet worden. Auch müsse das Land selbst in die Offensive gehen, indem es – teils mit den Kommunen – Flächen kauft. Somit dringt der DGB auf eine Landesentwicklungsgesellschaft, die als landesweiter Akteur einen eigenen Wohnungsbestand aufbaut. Hierfür müssten rund 500 Millionen Euro jährlich investiert werden. Bayern sei Baden-Württemberg einen Schritt voraus: Dort gehe die Wohnungsbaugesellschaft „BayernHeim“ als weiteres staatliches Immobilienunternehmen an den Start.

SPD: Grün-Schwarz blockiert sich

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Born, assistiert: „Grün-Schwarz blockiert sich gegenseitig, weshalb etwa bei der Landesbauordnung nichts vorangeht.“ Noch schwerwiegender sei die Weigerung, eine Landesentwicklungsgesellschaft einzurichten. Die SPD hatte diese LEG für Wohnungsbau und Quartiersentwicklung mit dem Namen BWohnen im Landtag beantragt. Diese soll Grundstücke erwerben und zügig entwickeln, dabei einen eigenen Wohnungsbestand aufbauen und erhalten. Dies sei von der Ministerin aber abgelehnt worden.

Auch die flächendeckende und unbefristete Einführung der Mietpreisbremse sowie Kappungsgrenzen bei Bestandsmieten stehen auf dem Wunschzettel des DGB. Und mit Zweckentfremdungsverboten könnte die Politik Fehlentwicklungen wie Leerstand oder touristischen Vermietungen entgegenwirken. Solche Verbote gebe es im Südwesten lediglich in Stuttgart, Heidelberg, Freiburg, Konstanz und Tübingen. Verstöße gegen die kommunalen Vorgaben müssten entschieden geahndet werden.