Stuttgarter Medienvertreter diskutieren beim Bürgerfoyer der Volkshochschule.

Stuttgart -  "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Sprachrohr bestimmter Parteien werden", sagt Wolfgang Molitor. Der kommissarische Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten hat am Mittwochabend gemeinsam mit anderen Medienvertretern über die Rolle von Zeitungen und Fernsehen im Wahlkampf diskutiert. Es sei wichtig, dass eine Zeitung nicht auf einer Seite stehe, sagte er.

Lassen sich Medien von außen beeinflussen? Bekommen größere Parteien mehr Platz in der Zeitung als die kleinen? Ursula Strautmann vom SWR-Fernsehen, der Chefredakteur der "Stuttgarter Zeitung", Joachim Dorfs, und Wolfgang Molitor haben sich im Treffpunkt Rotebühlplatz solchen Fragen des Moderators Axel Graser gestellt.

Die Stuttgarter Volkshochschule und die Landeszentrale für politische Bildung hatten die Veranstaltung zwar als Podiumsdiskussion zum Thema "Medien vor der Wahl" angekündigt, doch Graser stellte auch viele Grundsatzfragen. Erst später am Abend kam er wieder auf das Thema Wahlen zurück.

Bei der Frage, ob die Presse ihrer Funktion als vierte Gewalt gerecht werde, nannte er die Guttenberg-Affäre als Beispiel, bei der die "Bild"-Zeitung sich offen als Meinungsbildner darstellte. Joachim Dorfs sieht das anders: "Medien beeinflussen die Meinung, machen sie aber nicht", sagte er.

Auf die Frage, nach welchen Kriterien Medienunternehmen ihre Berichterstattung zusammenstellen, erklärte SWR-Vertreterin Ursula Strautmann: "Die Gewichtung erfolgt bei uns nach Aktualität, Regionalität, Gesprächswert und Relevanz." Joachim Dorfs sieht das bei Zeitungen etwas anders: "Bei uns steht die Relevanz an erster Stelle", sagte er.

Neben der Gewichtung verschiedener Gesichtspunkte interessierte die Zuhörer beim Bürgerfoyer, wie Themen in einer Zeitungsredaktion ausgewählt werden. "Journalisten sind keine Wissenschaftler, wählen ihre Themen aber auch nicht nach Bauchgefühl aus", erläuterte Wolfgang Molitor. "Es gibt zwar Redakteure, die Themen vorsortieren, aber wir haben ein großes Team, in dem wir hinterher alles genau absprechen."

Ein Beispiel dafür, dass das manchmal gar nicht so einfach ist, sei die Katastrophe in Japan gewesen. "Dort hatten wir das fünftschwerste Erdbeben der Geschichte, den schlimmen Tsunami und den Atomunfall in Fukushima und mussten diese drei Themen so gewichten, wie wir es für richtig hielten."

Dass das in Bezug auf die Landtagswahl nicht immer jeder Leser oder Fernsehzuschauer verstehe, zeige sich an den Reaktionen auf die unterschiedliche Berichterstattung über die Parteien. "Natürlich bekommen die Parteien, die um den Einzug in die Regierung kämpfen, alle etwa den gleichen Platz in der Berichterstattung, aber ich muss nicht jeden Piraten einzeln mit Namen und Adresse vorstellen", so Molitor.

Auch Joachim Dorfs musste sich vor einer Leserin seiner Zeitung rechtfertigen, weil er nicht allen Parteien den gleichen Platz eingeräumt hatte. Nach dem politischen Aschermittwoch sei das Bild der CDU am größten gewesen, gefolgt von der SPD und den Grünen. "Das ist keine Absicht", sagte er, "die Kriterien richten sich nach der Bildqualität und nicht nach dem Namen der Partei."

Wolfgang Molitor nannte noch einen anderen Grund für unterschiedliche Bildgrößen: "Neben der Qualität des Motivs sind die Größe der Veranstaltung und die Regionalität wichtig." So sei nach einer CDU-Veranstaltung mit 1600 Besuchern in Fellbach ein größeres Bild in den Stuttgarter Nachrichten gewesen als nach einer wesentlich kleineren Veranstaltung der Grünen in Biberach. Falls dennoch bei manchem Leser der Eindruck entstünde, man bevorzuge eine Partei, sei zu beachten, dass "nicht alles Absicht ist, was von den Lesern als Absicht wahrgenommen wird", so Molitor.

StN-Abonnent Carlo Schmidt hat, vor allem vor der Wahl, weniger ein Problem mit Bildgrößen. Für ihn stimmt die Wortwahl manchmal nicht. "Ich finde es komisch, dass in der Zeitung die CDU und die FDP immer die Bürgerparteien sind", sagte er, "denn ich fühle mich auch als Bürger und wähle keine der beiden Parteien." Ursula Strautmann vom SWR hatte dafür eine simple Erklärung parat: "Unsere Sprache entwickelt sich eben immer weiter, und das Wort ,bürgerlich' ist ein älterer Begriff." Joachim Dorfs fasste es noch einfacher zusammen: "Journalismus funktioniert in Codes. Bei manchen Begriffen weiß einfach jeder, was gemeint ist."