Die Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sind am Samstag auf einem Parteitag in Leipzig als Doppelspitze bestätigt worden. Katja Kipping musste allerdings einen Dämpfer hinnehmen.
Leipzig - Es ist der emotionale Höhepunkt dieses Samstags auf dem Bundesparteitag in der Linkspartei. Den ganzen Morgen waren die Delegierten lustvoll in kleinteilige Spiegelstrich-Debatten geflohen. Muss nur die November-Revolution im Leitantrag erwähnt werden oder auch die glorreiche Oktoberrevolution? Muss in der Zeile 127 die Gewerkschaften erwähnt werden oder nicht? Ist der Kapitalismus der Gegner oder die Kapitalisten? Herrlich ist diese weltabgewandte Buchstabenseligkeit. Aber da steht ein weißer Elefant im Raum. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Der monatelang mit Hingebung und dialektischer Härte geführte Machtkampf zwischen Sahra Wagenknecht und den beiden Vorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping hat die Linke zermürbt. Die Basis ist wundgescheuert von all den Reibereien.
Nun steht Katja Kipping am Rednerpult. Auf sie zielten die meisten der Pfeile, die Wagenknecht gegen die Parteiführung abgefeuert hatte. Und sie hatte sich genau so munter revanchiert. Wagenknecht und Kipping markieren die Pole des Grundsatz-Streits in der Partei über die Flüchtlingsfrage. Kipping und Riexinger halten an der Politik der offenen Grenzen fest, Wagenknecht und im Hintergrund immer auch ihr Lebenspartner Oskar Lafontaine wollen zumindest die Arbeitsmigration begrenzt sehen, und weichen vom Dogma des linken Internationalismus häretisch ab. Wagenknecht ist populär, sie hat beträchtliche Außenwirkung. Aber inhaltlich ist ihre Haltung in der Linken nicht populär. Der Widerspruch lähmt die Partei.
Kein Showdown der linken Frontfrauen Wagenknecht und Kipping
Kipping nimmt das auf. Sie spricht offen den Konflikt mit Wagenknecht an. Der letzte Showdown der Linken, das finale Duell der linken Frontfrauen? Den Delegierten stockt der Atem. Nein, so kommt es nicht. „Niemand muss sich für oder gegen eine Seite entscheiden“, sagt Kipping. „Wir sind alle Teile der Linken und das ist gut so.“ Und dann noch dies: „Es gibt in unserer Partei weder Rassisten noch Neoliberale.“ Ein Satz, der immerhin zeigt, auf welchem Niveau die Debatten in der Partei mitunter geführt wurden. Nun diese Balsam-Sätze der Vorsitzenden. Der Parteitag mag es kaum glauben. Man kann das drehen, wie man will - es ist ein Schritt auf die Rivalin zu. Vielleicht nur ein rhetorischer, aber es ist eine kleine Geste. Keine Versöhnung, gewiss nicht. Aber für einen Moment scheint die Aussicht auf eine Verständigung, auf einen modus vivendi möglich, der der anderen Seite die Ehre lässt. Auf die Delegierten wirkt das wie eine Befreiung. Jubel brandet auf. Fast ungläubiger Beifall.
Damit sich bloß keiner täuscht. In der Sache braucht der Parteitag „eine Klärung“, sagt Kipping. Niemand müsse „den eigenen Überzeugungen abschwören“. Sie wendet sich formal an den abwesenden Oskar Lafontaine, aber es ist klar, dass Wagenknecht immer mit gemeint ist, wenn sie sagt: „Es muss aufhören, die demokratische Beschlusslage der Partei dauernd in Frage zu stellen“. Das sei eine Frage des Respekts. Und erneut brandet der Beifall.
Gelingen dann die Klärungen? Ja und Nein. Der Leitantrag, der sich für „sichere, legale Fluchtwege, offene Grenzen und ein menschenwürdiges, faires System der Aufnahme von Geflüchteten“ ausspricht, wird mit überwältigender Mehrheit und ohne kontroverse Debatte verabschiedet. Riexinger wurde mit 73,8 Prozent im Amt bestätigt. Ganz ordentlich. Aber Katja Kipping musste sich mit 64,4 Prozent begnügen. Durchaus ein Schlag. Ihre Miene war entsprechend.