„Das ist das Ende - für mich der Beginn des Lebens“, sagte der Theologe Dietrich Bonhoeffer einem britischen Mitgefangenen zum Abschied. Foto: dpa

Nur wenige Tage trennten im April 1945 Dietrich Bonhoeffer, Georg Elser und andere Widerstandskämpfer von der Rettung. Doch das untergehende Dritte Reich riss die Verschwörer mit in den Abgrund.

Berlin - Im Morgengrauen des 9. April 1945 ließ der Diktator seine letzten gefangenen Gegner ermorden. Im Konzentrationslager Flossenbürg im Oberpfälzer Wald wurden sechs Männer gehenkt. „Das ist das Ende - für mich der Beginn des Lebens“, sagte der Theologe Dietrich Bonhoeffer einem britischen Mitgefangenen zum Abschied.

Mit Bonhoeffer wurden die Offiziere Hans Oster, Wilhelm Canaris und Ludwig Gehre ermordet, die Juristen Karl Sack und Theodor Strünck. Die Widerstandskämpfer hatten vergeblich versucht, Adolf Hitler zu töten und das nationalsozialistische Regime zu stürzen.

Im KZ Dachau wurde in jener Nacht Georg Elser ermordet. Der Schreiner aus dem Schwäbischen hatte 1939 versucht, Hitler mit einer Bombe im Münchener Bürgerbräukeller umzubringen. Im KZ Sachsenhausen bei Berlin wurde der Jurist Hans von Dohnanyi getötet, Schwager von Bonhoeffer und Mitverschwörer der Opfer in Flossenbürg.

Dabei war vor 75 Jahren der Untergang der Nazis besiegelt, alliierte Truppen rückten in Deutschland vor, das rettende Kriegsende war nur einen Monat entfernt. „Bis zur letzten Stunde verfolgte das Regime seine Gegner, damit keiner am Aufbau eines neuen Deutschlands mitwirken konnte“, sagte der Historiker Johannes Tuchel der Deutschen Presse-Agentur. Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin sieht den 9. April als „Zeichen der Rache, der bis ans Ende klaren und eindeutigen Rachewünsche und Rachefantasien“ Hitlers.

Tage später in der Nacht zum 23. April 1945 ermordeten SS-Leute in Berlin weitere Mitglieder des Widerstands. Zu den Opfern zählten die Juristen Rüdiger Schleicher und Klaus Bonhoeffer, der Wissenschaftler und Schriftsteller Albrecht Haushofer.

Es waren in Deutschland nur wenige Menschen, die sich gegen die Nazis stellten. Doch das Ende des Widerstands zeigte noch einmal, aus welch verschiedenen Bereichen sie kamen - von Admiral Canaris, dem Leiter des Militärgeheimdienstes Abwehr, bis zu Elser, der allein in eigener Verantwortung handelte. Junge Leute wie Sophie und Hans Scholl in der Widerstandsgruppe Weiße Rose, Konservative, Sozialdemokraten und Kommunisten hatten Widerstand geleistet.

Von 1938 an versuchten Zirkel hoher Militärs und Verwaltungsbeamter, Hitler zu beseitigen - erst um den Krieg zu verhindern, später um ihn zu beenden. Ihr Ziel war, „durch eine große verneinende Geste Widerspruch einzulegen gegen Hitler und alles, was er und seine Herrschaft bedeuteten“, wie Joachim Fest in dem Buch „Staatsstreich“ (1994) schrieb. Am gefährlichsten wurde dem Diktator der Anschlag, den Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 verübte. Doch auch dieser Plan scheiterte.

Canaris hielt in der Abwehr lange Zeit die Hand über Verschwörer wie den Generalmajor Oster. Seine letzten Worte klopfte der Admiral in Flossenbürg einem Zellennachbarn: „Meine Zeit ist um. War kein Landesverräter. Habe als Deutscher meine Pflicht getan.“

Mit der Anerkennung für Elser hat sich Deutschland lange schwer getan

Auch Dietrich Bonhoeffer wurde als Mitarbeiter der Abwehr hingerichtet. Getarnt als Agent hatte der Pastor versucht, seinen ökumenischen Kontakten im Ausland mitzuteilen, dass im Dritten Reich eine Gruppe am Sturz Hitlers arbeite.

In der Haft in Berlin seit 1943 schrieb Bonhoeffer theologische Überlegungen, Briefe, Gedichte oder das tröstliche Silvesterlied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Aus den geschmuggelten Kassibern entstand 1951 das wohl bekannteste Bonhoeffer-Buch „Widerstand und Ergebung“. 75 Jahre nach Bonhoeffers Tod tragen in Deutschland Dutzende Kirchengemeinden, Schulen oder Straßen seinen Namen.

Das KZ Flossenbürg sei vor allem durch den Mord an Bonhoeffer und den anderen Widerstandskämpfern ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, sagte Julius Scharnetzky von der dortigen Gedenkstätte der dpa. Doch der April vor 75 Jahren sei überall eine „Zeit des Massensterbens“ gewesen. Die SS habe in vielen Lagern KZ-Häftlinge ermordet oder auf Todesmärsche getrieben.

Mit der Anerkennung für Elser hat sich Deutschland lange schwer getan. Der Handwerker hatte in 30 Nächten im Bürgerbräukeller eine Säule ausgehöhlt und dort eine Bombe eingebaut. Sie sollte Hitler und seine Führung töten, doch verließ der Diktator die Veranstaltung wenige Minuten vor der Explosion. Bei Elser habe die Diffamierung durch die Nazi-Propaganda lange nachgewirkt, sagte Tuchel. „Heute wird Georg Elser als mutiger Mensch gewürdigt, der den Tyrannen und dessen Elite töten wollte, um den Krieg zu verhindern.“