Geldanlagen im Umfang von rund einer Milliarde Euro werden im Stuttgarter Rathaus selbst gemanagt. Foto: Lichtgut/Leif-Hendrik Piechowski

Die Europäische Zentralbank hat die Zinsen wegen der Inflation stark angehoben. Der städtische Haushalt profitiert, Stuttgart erwirtschaftet 2023 einen Millionenbetrag.

Steigende Zinsen bringen Bauwillige in die Bredouille, erfreuen aber nach einer Durststrecke viele Sparer. Auch auf die Landeshauptstadt haben die Zinsbeschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) unmittelbare Auswirkungen: Stuttgart hat seinen Ansatz für Zinserträge im Jahr 2023 um 127 Prozent angehoben. 2020 zahlte man noch rund 274 000 Euro Negativzinsen.

Die Landeshauptstadt ist seit 2018 schuldenfrei, bereits seit 2003 erzielt sie ununterbrochen Haushaltsüberschüsse, sie lagen damals bei 90,3 Millionen Euro. 2009 wurde im Rathaus mit 435 Millionen Euro ein Rekord geschrieben, der erst 2018 mit einem Überschuss von 525 Millionen eingestellt wurde. 2019 waren es 306, im Folgejahr 212 Millionen und 2021 dann 260 Millionen Euro. Der Abschluss für 2022 steht noch aus. Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) nennt mit Verweis auf mögliche Steuerrückforderungen keine Daten. Zuletzt hatte er mit einem Fehlbetrag gerechnet, doch die Gewerbesteuer sprudelt, auch dank Porsche, ein Überschuss im niedrigen dreistelligen Millionenbereich scheint möglich. Genaue Zahlen will Fuhrmann im Juli präsentieren.

Das Geld ist zum größten Teil verplant

Die Stadt investiert nicht nur, sie hat aus den Überschüssen auch Rücklagen gebildet, laut Jahresabschluss 2021 rund 3,58 Milliarden Euro. Geld, das zum Großteil fest verplant und daher relativ flüssig gehalten werden muss. Ende 2021 schob die Stadt im Finanzhaushalt eine Bugwelle nicht abgearbeiteter Investitionsentscheidungen vor sich her, in Summe 963,4 Millionen Euro. Im Ergebnishaushalt waren es 202 Millionen Euro sogenannter konsumtiver Reste. Rücklagen gibt es zum Beispiel für den Klimaschutzfonds, die Wohnbauförderung, Neubauten am Klinikum, die kulturelle Infrastruktur (Sanierung der Staatsoper, Neubau des Lindenmuseums und einer Philharmonie). Diese Rücklagen summieren sich auf 550 Millionen Euro.

Stadt leiht ihren Betrieben Geld

Die Landeshauptstadt managt Fest- und Kündigungsgelder im Umfang von rund einer Milliarde Euro selbst. Für die Papiere mit kurzer Laufzeit habe man zunächst, bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2022/2023, gar keine Zinserträge eingeplant, so die Stadt auf Anfrage. Inzwischen kalkuliere man mit im Schnitt zwei Prozent. Dazu kommt eine Erhöhung der Zinseinnahmen für jene 114 Millionen Euro, die die Stadt ihren Eigenbetrieben ausgeliehen hat. Sie müssten sich ansonsten bei Banken verschulden. Für einen Kommunalkredit würde aktuell ein Zinssatz von 3,3 bis 3,7 Prozent fällig, heißt es auf Anfrage. Den kann die Stadt von ihren Betrieben kassieren. Dieser Deal ist für die Kommune rentierlicher als eine Termingeldanlage bei einer Bank.

Vermögensverwalter für die Fonds

Das Handling von Anlagen in Rentenpapieren hat die Landeshauptstadt seit vielen Jahren an Vermögensverwalter abgetreten. Sie betreuen vier Fonds. Für die Anlagen durch das eigene Haus und drei der vier Fonds gilt: Hände weg von Fremdwährungen, von Edelmetallen und von Aktien. Nur ein Spezialfonds (56,4 Millionen Euro, Buchwert 2021) für den Eigenbetrieb Abfallwirtschaft hat einen Aktienanteil von 20,26 Prozent. Die Verzinsung seit dessen Auflage im Jahr 2005 lag bei im Schnitt 2,86 Prozent, 2021 waren es sogar 4,45 Prozent.

Die drei städtischen Fonds bildeten Ende 2021 einen Buchwert von 1,298 Milliarden Euro, die Verzinsung war in diesem Jahr jeweils negativ, bei zwei schon länger laufenden Fonds insgesamt positiv (1,02 bis 2,11 Prozent pro Jahr), bei dem erst 2019 aufgelegten (100,3 Millionen Euro Buchwert) mit minus 1,48 Prozent seitdem negativ.

Mehr Zinsen als Ausschüttung von der LBBW

In der Summe kalkuliert Thomas Fuhrmann in diesem Jahr mit 43,4 Millionen Euro Zinserträgen für den Haushalt, 24,3 Millionen mehr als zunächst angenommen. Seit der Einführung der doppelten Buchführung 2010 habe man nicht mit derart hohen Zinseinnahmen kalkuliert. Die Summe übersteigt die erwartete Ausschüttung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die 38,25 Millionen erreichen soll. Die Stadt hält an der Bank einen Anteil von 18,93 Prozent.

Außerhalb des städtischen Haushalts führt Stuttgart noch eine weitere Kasse. In ihrer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (SVV), die den Hafen, die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) und die Stadtwerke steuersparend bündelt, waren Ende 2021 in Fonds 392 Millionen Euro (Buchwert) angelegt. Die Verzinsung lag bei 2,97 Prozent. Dieser Topf schmilzt allerdings wie Eis in der Sonne, denn über ihn werden die perspektivisch wachsenden Verluste der SSB abgedeckt.