Jürgen Klinsmann (r.) könnte bald ein noch gefragterer Interviewpartner werden. Foto: Baumann

Jürgen Klinsmann sendet klare Signale, sich eine Rückkehr zum VfB Stuttgart vorstellen zu können. Noch hält sich die VfB-Führung bedeckt – doch das könnte sich bald ändern.

Stuttgart - Es ist davon auszugehen, dass Jürgen Klinsmann voll im Bilde ist. Er ist ja schon immer gut verdrahtet gewesen und hat vor Jahren die digitale Revolution im deutschen Fußball vorangetrieben. Damals schon aus dem fernen Kalifornien, wo der Schwabe noch immer lebt und sich an Bundesligaspieltagen gerne Zeit vor dem Fernseher nimmt – Zeit für den VfB Stuttgart. Das ist Klinsmanns Herzensclub, und er schaut sich zu Hause in Huntington Beach so gut wie alle Spiele an.

Klinsmann weiß demnach Bescheid – über den niederschmetternden Zustand der Mannschaft und über die Zweifel, die den VfB neuerdings wieder auf der Managementebene begleiten. Und wer den 54-Jährigen kennt, weiß zudem, dass er zum Telefonhörer greifen würde, wenn ihn ein Notruf aus Stuttgart ereilt. Klinsmann würde dann sicher aufmerksam zuhören, was man auf der anderen Seite der Welt zu sagen hätte. Erstens aus Höflichkeit, zweitens aus emotionaler Verbundenheit.

Jürgen Klinsmann will zurück ins Profigeschäft

Das ist das Signal, das aus dem Westen kommt. Klinsmann will zurück ins Spiel und kann sich einen Managerjob beim VfB vorstellen. Nach einer zweijährigen Pause ist er wieder bereit, in den Profizirkus einzusteigen. Das hat der Weltstar aus Stuttgart-Botnang kürzlich auch in einem Interview mit unserer Zeitung bestätigt. Grundsätzlich hat sich an dieser Ausgangslage für Klinsmann nichts verändert. Vieles ist denkbar, einiges möglich. Allerdings hat der VfB seither zwei krachende Niederlagen erlitten: 0:4 bei 1899 Hoffenheim und 0:3 gegen Eintracht Frankfurt – was rund um den Wasen eine neue Dynamik auslöst.

Lesen Sie hier die Einzelkritik des VfB-Debakels gegen Eintracht Frankfurt

Zum einen steht der Manager Michael Reschke mehr denn je in der Kritik. Zum anderen könnte der VfB eine durchaus reizvolle Herausforderung für Klinsmann darstellen. Sportlich, weil den früheren Stürmer schwierige Aufgaben schon immer angezogen haben. Privat, da sich die familiäre Situation im Hause Klinsmann verändert: Sohn Jonathan steht bei Hertha BSC unter Vertrag, und Tochter Leila geht im Sommer studieren, voraussichtlich in Europa. Ihren Lebensmittelpunkt sehen Klinsmann und seine Ehefrau Debbie deshalb nicht mehr zwingend in der Nähe von Los Angeles.

Ruft der VfB nach dem Retter in Kalifornien?

Stuttgart wäre eine schöne Alternative. Das ist die große Verlockung, die sich dem VfB plötzlich inmitten der Krise bietet: „Klinsi“ taucht am Horizont als Retter auf. Ein Vertreter des strauchelnden Tabellenletzten müsste doch nur bei dem Vereinsheiligen anrufen . . .

Wolfgang Dietrich steht auch regelmäßig in Kontakt mit Klinsmann. Der Präsident und der einstige VfB-Liebling treffen sich gerne, wenn der Wahl-Kalifornier in der alten Heimat ist. Zuletzt am 5. August – dem Tag des Brustrings, als der VfB gemeinsam mit seinen Fans und Legenden das 125-jährige Bestehen des Vereins für Bewegungsspiele feierte. Klinsmann streifte gar noch einmal das weiß-rote Trikot über.

Zuletzt lud Klinsmann die VfB-Junioren in die USA ein

Der Austausch zwischen dem Clubchef und dem ehemaligen Bundestrainer geht aber wohl über freundliche Plaudereien hinaus, da es zu Dietrichs Überzeugungen gehört, das Wissen und das Netzwerk ehemaliger VfB-Profis noch heute zu nutzen. Davon sollen alle im Verein profitieren. Letztes Beispiel: Auf Einladung Klinsmanns nahm die U 19 der Stuttgarter im vergangenen Juli an einem hochkarätigen Turnier in den USA teil.

Ohnehin ist Klinsmann nicht der Typ für Small Talk nach einem Spielchen der Traditionsmannschaft. Sein Ehrgeiz hat ihn stets vorangetrieben, und in seiner Zukunftsplanung wendet sich der langjährige Chefcoach der US-Nationalmannschaft immer stärker einer strategischen Aufgabe zu: Klinsmann, der vor zehn Jahren den FC Bayern München fußballerisch neu erfinden sollte, will nicht mehr zwingend Trainer sein, sondern Sportchef – einer, der Spieler nicht mehr selbst besser macht, sondern einer, der einen Kader vor dem Hintergrund einer Spielphilosophie zusammenstellt und den passenden Trainer sucht.

VfB-Manager Michael Reschke richtet den Blick nach vorne

Die großen Linien sind es folglich, die der Welt- und Europameister zeichnen will. Das Problem ist nur: Der VfB steckt derart im Schlamassel, dass er zunächst schauen muss, wie er überhaupt wieder Spiele gewinnt. Die Schlüsselpartie beim 1. FC Nürnberg steht am Samstag auf dem Programm, und aus dem Clubhaus mit dem roten Dach ist zu hören, dass es aktuell keinen Kontakt zu Klinsmann gibt – sondern ganz andere Baustellen.

Noch ist Reschke der Mann, der gemeinsam mit dem neuen Trainer Markus Weinzierl den Weg aus der sportlichen Misere weisen soll. „Es gilt, bis Weihnachten so viele Punkte wie möglich zu sammeln und danach noch einmal durchzustarten“, sagt Reschke. Darauf richtet der Sportvorstand den Blick. Voll und ganz, weshalb er sich nicht auf die Diskussionen über seine Person einlassen will. Der VfB-Aufsichtsrat Guido Buchwald hatte zuletzt öffentlich Kritik geäußert. Reschke merkt dazu lediglich an, er spüre „keine innere Zerrissenheit“ innerhalb des Vereins. Doch das Vertrauen in seine Arbeit ist mit dem Desaster gegen die Frankfurter Eintracht gesunken.