Die Nilgans ist streitbar und verteidigt ihr Revier vehement. Foto: dpa

Die Tiere verschmutzen Wasser und Wege und vertreiben andere Vögel. Vor allem Enten und Schwäne leiden darunter. Doch wie soll man sie eindämmen?

Heilbronn - Am Ufer des Sees im Heilbronner Pfühlpark führt ein Gänserich seine acht Küken vor, plustert sich auf, zeigt stolz sein schönes, farbiges Gefieder, während die eher unansehnliche Gänsemutter laut schnatternd jeden davor warnt, ihrer Familie zu nahe zu kommen. Für eingewanderte Nilgänse ganz schön anmaßend. Der alte Höckerschwan zieht gelassen vorbei. Eine trügerischer Frieden: Im vergangenen Jahr gab es dort noch zwei Schwanenpaare, jetzt ist dort nur noch eines, Entenküken wurden noch keine gesehen. Nilgänse verteidigen ihre Brutreviere mit allen Mitteln und werden damit zum Feind heimischer Wasservögel.

Sie gelten außerdem als Landplage, weil sie Ufer und Wege mit ihrem Kot verunreinigen (Ingolstadt schützt einen Badesee deshalb mit einem Zaun) und sich auch mal mit Joggern oder Radlern anlegen. Vom Rhein kommend, haben sie sich in Baden-Württemberg ausgebreitet, im 18. Jahrhundert hat man sie in englischen und holländischen Parks als Ziervögel gehalten.

Nilgänse brüten fast das ganze Jahr

Die erste Nilgans im Kreis Heilbronn hat Wolfgang Hellwig im Jahr 2000 gesehen, die erste Brut 2009 in Gundelsheim. Er ist fast pausenlos unterwegs, er bereitet für den Ornithologischen Arbeitskreis des Naturschutzbunds in Heilbronn gerade eine Dokumentation über Nilgänse vor, die im Herbst veröffentlicht wird. Das Zählen ist nicht einfach. An den Ufern findet man Nilgänse leicht, aber sie halten sich, wie alle Wasservögel, auch weit landeinwärts auf. So traf er einmal auf eine Ansammlung von etwa 80 Nilgänsen.

Bis jetzt hat er im Kreis Heilbronn neun Brutstellen gefunden, für das Jahr rechnet er mit 20 bis 25. Da Nilgänse fast das ganze Jahr über brüten, ist das Zählen mühsam, auf 150 bis 200 beziffert er den Gesamtbestand im Kreis Heilbronn. Von 2009 bis Ende 2015 wurden dort insgesamt 57 Bruten nachgewiesen, nicht alle „Pullis“, wie Nilgansküken heißen, überlebten.

Es werden immer mehr

Der Anstieg der Population im ganzen Land ist unübersehbar. Laut dem Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) werden Nilgansbruten mit Hilfe der Jäger beobachtet, die seit dem Jahr 2000 in einem zweijährigen Turnus ihre Beobachtungen aus ihren Jagdrevieren schriftlich melden. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Anzahl der Jagdreviere mit Nilgansbruten im Südwesten etwa verachtfacht, von 29 im Jahr 2006 auf 228 im Jahr 2015. Laut einer Schätzung des Naturschutzbunds von 2016 beträgt die Zahl der Nilgänse im Südwesten 100 bis 150 Brutpaare. Seit 2015 dürfen sie auch in Baden-Württemberg vom 1. September bis zum 15. Januar gejagt werden – und gegessen. Sie sollen gut schmecken. Auf dem Heilbronner Gebiet sind im vergangenen Jahr 30 von ihnen abgeschossen worden.

Hellwig verweist darauf, dass Nilgänse jetzt als „eingebürgerte Art“ zu betrachten seien, eine wichtige Definition für die Einstufung sowohl im Naturschutz als auch im Jagdrecht, und er bleibt relativ gelassen – ebenso wie der Landwirtschaftsminister Peter Hauk. Dieser sah schon im vergangenen Jahr keinen Handlungsbedarf, verwies auf das Jagdgesetz und darauf, dass man noch Erfahrungen sammeln müsse, auch im Hinblick darauf, ob man die Art integrieren könne. Doch Generationen von Heilbronnern sind damit aufgewachsen, nicht nur beim Sonntagsspaziergang die Enten und Schwäne des Pfühlsees zu beobachten. Ihnen muss man nicht mit Zahlen kommen, sie vermissen den Entennachwuchs und die Schwäne schmerzlich.

Nicht alle sind aggressiv

In der Heilbronner Umgebung fand Hellwig Nilgänse etwa im Vogelschutzgebiet der Nachtigalleninsel von Lauffen am Neckar, in Naherholungsbereichen wie der Ehmetsklinge im Zabergäu und auf dem Campingplatz von Kochendorf. Er hat gesehen, wie sie Reiher angriffen und wie sie selbst von einem Schwan attackiert wurden. Und er kennt Beispiele friedlicher Koexistenz. Nilgänse hätten unterschiedliche Charaktere, nicht alle seien aggressiv, würden sie gefüttert, legten sie Menschen gegenüber ihre Fluchtangst ab.

Um ihre Population im Zaum zu halten, macht Helga Mühleck vom Heilbronner Grünflächenamt den scherzhaften Vorschlag, man könne ja mal einen Fuchs als ihren einzigen natürlichen Feind einschleusen. Baumaßnahmen am Neckaruferpark auf dem Gelände der geplanten Bundesgartenschau waren in dieser Hinsicht aber auch erfolgreich.

Es gibt schon viele „Exoten“

Nilgänse sind nicht die einzigen Einwanderer, Hellwig hat auch schon „Exoten“ wie ein Nandu (nördlich von Heilbronn) erlebt und Mandarinenten gesichtet. Kanadagänse fressen die Saaten zum Ärger der Landwirte, Rostgänse, die aus den innerasiatischen Steppen stammen, machen sich gerade von der Schweiz her kommend vor allem in d er Bodenseeregion und auf der Schwäbischen Alb unbeliebt, weil sie sich so stark vermehren und dort laut dem LAZBW Eulen und Greifvögel vertreiben. Und: Es gibt noch kein klares Bild von der Wechselbeziehung zwischen zugewanderten Wildvögeln und der Vogelgrippe.