Marinus Parzinger (links), der Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz, nimmt die Unterschriftenlisten entgegen. Foto: StZ

Aus Sicht der Deginger Bevölkerung gehören der Wallfahrtsort und das Kloster Ave Maria untrennbar zusammen. Die Kapuziner verabschieden sich im nächsten Jahr in jedem Fall. Mit der Diözese laufen jetzt die Gespräche an, wie eine Nachfolgelösung aussehen könnte.

Deggingen - Als die Nachricht im Mai die Runde gemacht hat, schienen die Katholiken im Oberen Filstal erst einmal wie gelähmt: Die Kapuziner geben ihr Kloster Ave Maria bei Deggingen im Oktober 2018 auf. Der beliebte Wallfahrtsort aus dem 18. Jahrhundert ohne Mönche – undenkbar. Inzwischen ist die Schockstarre gewichen. Am Montag überreichte eine Delegation aus Kirchenvertretern und Bürgern mehr als 4000 Unterschriften „für den Erhalt des Klosters und des hier ansässigen Kapuziner-Ordens“ an den Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz, Marinus Parzinger.

Angestoßen wurde die Aktion von einigen Privatleuten aus Deggingen, die bei den Vertretern der Kommune, der Kirchengemeinden und der Seelsorgeeinheit offene Türen einrannten. Überall wurden Unterschriften gesammelt – und natürlich setzten neben den Gläubigen aus dem Täle auch viele andere ihren Namenszug unter den Aufruf. „Das war ein echter Selbstläufer“, sagte die Kirchenpflegerin Sandra Bosch bei der Übergabe im Klosterhof. Und Monika Bayer, die stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderats Sankt Pantaleon, ergänzte, „dass ich mit dem Zählen gar nicht mehr nachgekommen bin“.

Perspektive für einen Fortbestand soll entwickelt werden

Marinus Parzinger zeigte sich angesichts der großen Solidarität mit Ave Maria und seinem Kloster seitens der Bevölkerung denn auch beeindruckt: „Wir wissen jetzt noch mehr um die Wertschätzung und wissen um die Bedeutung von Ave Maria. Doch so schmerzlich das auch ist, es wird hier nicht in der gewohnten Form weitergehen, weil wir dafür einfach nicht mehr genug Brüder haben“, betonte er. Dass der Orden bestimmte Orte verlassen müsse, sei zwar sehr bedauerlich, gehe aber schon seit Jahrzehnten so, fügte er traurig hinzu.

Dass es, angesichts von nur noch fünf Kapuzinermönchen in Deggingen, einer Veränderung bedarf, darin waren sich auch die Initiatoren der Unterschriftensammlung einig. Und just an diesem Dienstag beginnt die Suche nach einer Lösung, wie es mit der Wallfahrtskirche und womöglich sogar mit dem Kloster künftig weitergehen könnte. Eine Abordnung reist aus dem Filstal für ein erstes Gespräch mit der zuständigen Diözese an den Neckar nach Rottenburg. „Wir sehen uns nicht als Protestbewegung, sondern wollen zusammen eine Perspektive entwickeln“, erklärte Karl Heißler aus Deggingen, der lange Jahre im Göppinger Kreistag saß.

In der Kommunikation sind Fehler gemacht worden

Wie eine solche Perspektive aussehen könnte, deutete Marinus Parzinger vorsichtig an: „Natürlich ist das jetzt Sache der Diözese. Aber wenn uns eine andere Gemeinschaft nachfolgt, werden wir alles tun, was uns möglich ist, um einen Wechsel zu unterstützen, damit es hier weitergehen kann.“ Er könne sich sogar vorstellen, dass Möglichkeiten der Kooperation gefunden würden, um zumindest einzelne der ansässigen Patres in Ave Maria zu belassen, ergänzte der Provinzial. Dies wäre wiederum ganz im Sinne der Kirchengemeinden und der Seelsorgeinheit Deggingen/Bad Ditzenbach, in deren Abläufe – sei es in der Kurklinik, in den Pflegheimen oder an anderen Stellen – die Kapuzinermönche seit Jahrzehnten eingebunden sind.

Kritik musste sich Parzinger dennoch gefallen lassen. So äußerte der Degginger Rolf Kehrer sein Unverständnis darüber, „dass der Orden die Beteiligten und die Patres vor Ort mit seiner Entscheidung vor den Kopf gestoßen hat“. Eine Einbindung in diesen Prozess und ein ergebnisoffenes Gespräch hätte man da schon erwarten können, fuhr er fort. Auch wenn der Provinzial sich rechtfertigte und klar zu machen versuchte, dass die diesbezüglichen Gespräche schon seit 2014 gelaufen seien, räumte er ein, dass in der Kommunikation Fehler gemacht worden seien.

Dies soll, wie der in Ave Maria tätige Pater Felix herausstellte, fortan nicht mehr passieren. „Wir haben uns zu der Angelegenheit bis jetzt nicht geäußert, weil es in der Sache noch keine Lösung gibt.“ Mit den nun beginnenden Gesprächen in Rottenburg, so hoffe er, werde sich das ändern. Die Frage, ob die mehr als 4000 Unterschriften für die Erhaltung des Klosters dabei helfen würden, wollte Pater Felix nicht beantworten. Sein Gesichtsausdruck verriet allerdings, dass diese wohl nicht schaden.

Bei Brautpaaren und Motorradfahrern beliebt

Vor ziemlich genau 300 Jahren, genauer gesagt in der Zeit von 1716 bis 1718, ist die Wallfahrtskirche Ave Maria unweit der Ortschaft Deggingen erbaut worden. Sie gilt als Kleinod des deutschen Spätbarocks und gibt dem Landschaftsbild am Fuße der Alb einen speziellen Reiz. Im Inneren finden sich zahllose Stuckornamente und kunstvolle Gemälde. Als Prunkstück gilt der Hochaltar.

Im Jahr 1928 vertraute die Diözese den den Kapuzinern Ave Maria an. Gut drei Jahre danach wurde das Kloster errichtet, das der Orden seither betreibt. Im Oktober 2018 wird dieses Kapitel nach 90 Jahren geschlossen. Bekannt ist der Wallfahrtsort Ave Maria weit über den Kreis Göppingen hinaus: bei Brautpaaren, bei den Besuchern der Weihnachtskrippe und bei Motorradfahrern wegen der alljährlichen Segnung durch den „Bikerpater“ Flavian.