Einfach da sein und bei Unfällen und Katastrophen helfen: In traumatischen Situationen betreut das Kriseninterventionsteam Betroffene und Angehörige. Foto: Georg Fried/l

Die Helfer des Kriseninterventionsteams der Stuttgart Johanniter betreuen Menschen nach traumatisierenden Ereignissen. Drei Ehrenamtliche berichten von ihren Aufgaben. Sie halfen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe oder in der Cotona-Intensivstation.

Bis vor wenigen Augenblicken kniete das zu Hilfe gerufene Rettungsteam über einem leblosen Mann. Sie versuchten ihn auf dem heimischen Wohnzimmerboden wieder ins Leben zurückzuholen. Der Defibrillator kam zum Einsatz. Vergeblich, der Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen. Und nun? Die Ehefrau des Verstorbenen, die den Rettungsdienst rief, schaut fassungslos, wie der Notarzt und die Rettungssanitäter ihre Apparate wieder einpacken. Gerade auch für Fälle wie diese wurde 1997 in Stuttgart das Kriseninterventionsteam (KIT) der Johanniter gebildet. Dafür werden neue Helfer gesucht.

Bereits 18 000 Menschen in schlimmster Not beigestanden

Die Sanitäter und Ärzte schnappen ihre Koffer, bekunden Beileid und müssen gehen, denn der nächste Einsatz wartet schon. Damit die Angehörigen nicht alleine und verstört in der Wohnung zurückbleiben, ist diese Form der Notfallhilfe eingeführt worden. Für Opfer und Angehörige breche nach dem plötzlichen Tod eines Angehörigen oder bei anderen traumatisierenden Ereignissen eine Welt zusammen, erklärt Ralf Oberfell. Bei einem Krisenfall gehe es zunächst darum, dass der oder die Betroffene wieder ein Mindestmaß an Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen, erklärt der Leiter des Johanniter-KIT. Dazu gehöre, ihnen Beistand zu geben und sie darin zu unterstützen, eigene Ressourcen wieder zu aktivieren. Ralf Oberfell arbeitet eigentlich als Ingenieur und Fahrzeugsystemtechniker bei Daimler Truck. Für das aufwendige Ehrenamt als KIT-Helfer wird er von seinem Arbeitgeber unterstützt.

Eine Schicht dauert 24 Stunden

Meist werden er oder die anderen 14 Stuttgarter Helferinnen und Helfer der Johanniter nach Todesfällen und Reanimationen im häuslichen Bereich gerufen. Aber auch nach dem Tod eines Kindes sowie bei schweren Unfällen im Straßenverkehr, bei Stadtbahn- oder Busunfällen, Bränden oder Katastrophen werden sie alarmiert. „Seit unserer Gründung hatten wir rund 7000 Alarme und 18 000 Klienten“, berichtet er. Die Ehrenamtlichen haben 24-Stunden-Schichten und sind an den Stuttgarter Rettungsdienst angegliedert. Die Integrierte Leitstelle alarmiert sie, damit sie sich um Angehörige und Augenzeugen kümmern.

Auch in Ahrweiler war das KIT-Team im Einsatz

Nach der Flutkatastrophe in Ahrweiler im Jahr 2021 fuhren Mitglieder des Stuttgarter Johanniter-KIT zur Unterstützung ins Katastrophengebiet, da es ein bundesweites Netzwerk gibt. Ansonsten stehen sie auch Opfern von Vergewaltigungen, Raubüberfällen oder häuslicher Gewalt bei. Wenn jemand Augenzeuge eines Suizids wurde und deshalb unter Schock steht, sind die KIT-Spezialisten ebenfalls zur Stelle.

Gesehen haben sie schon vieles. Und eine gewisse Anspannung, was einem diesmal erwartet, ist bei jeder Schicht wieder dabei. „Anfangs habe ich nachts ständig kontrolliert, ob mein Diensthandy auch wirklich auf laut steht“, sagt KIT-Helferin Martina Dais-Duppui. Aber wenn dann ein Alarm komme und sich die Leitstelle Stuttgart melde, weiche die Aufregung: „Ich setze mich ins Auto und bin extrem fokussiert und konzentriert“, sagt die Betriebswirtin.

Einfühlsame Kommunikation statt billigem Trost

Michael Kloss aus Sillenbuch ist seit 2008 im KIT-Team. So ein „Grundrauschen“ verspüre er bei dem Bereitschaftsdienst immer noch, sagt er. Aber ansonsten ist der Sillenbucher, der hauptberuflich als Wirtschaftscoach und Unternehmensberater tätig ist, über all die Jahre ein sehr erfahrener Kommunikator in menschlichen Krisen geworden. Während der Corona-Pandemie war Kloss auch auf der Covid-19-Intensivstation am Klinikum Stuttgart als Patientenbetreuer im Einsatz. Er war dort regelmäßig mit den Angehörigen von Schwerstkranken im Austausch und Gespräch. Davon profitiert er bei der KIT-Arbeit: „Wir kümmern uns um diejenigen Menschen, die in eine psychische Ausnahmesituation geraten sind.“ Es sei eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl, Feinsinn und Einfühlungsvermögen erfordere.

Die Ausbildung als Kriseninterventionshelfer dauert in der Regel ein ganzes Jahr. Dazu gehörte eine Ausbildung zum Sanitätshelfer und insgesamt 110 Unterrichtseinheiten. Langsam werden die Aspiranten an die Praxis herangeführt, begleiten erst einmal erfahrene Kollegen bei Einsätzen.

Wer Interesse an diesem Ehrenamt hat, kann sich unter: www.johanniter.de/kit-stuttgart online zu einem Informationsabend anmelden oder sich direkt per Mail an kit.stuttgart@johanniter.de wenden.