Eisenbahnvorsteher: Moritz Krämer und Francesco Wilking (re.) in den Wagenhallen Foto: Lichtgut/Ecker

Die Band Die höchste Eisenbahn hat in den Stuttgarter Wagenhallen musiziert und pendelt dabei zwischen sich selbst und Softrock.

Stuttgart - „Höchste Eisenbahn“ – eigentlich ein Indiz für mieses Zeitmanagement. Die gleichnamige Berliner Popgruppe wiederum ließ sich vom Bild eines Zugs auf Stelzen zum Bandnamen inspirieren. Eile kann man dem Quartett eh kaum vorwerfen: Sie nehmen sich am Donnerstag in den Wagenhallen alle Zeit, die ihre Lieder brauchen. Da schwingen Jackson Browne, die Monkees, Springsteen, Midlake und The Cars mit – und 500 Zuschauer, denen das Glück beschieden ist, an diesem Abend keine anderen Pläne verfolgt zu haben.

„Wir haben so lange nachgedacht, bis wir wütend waren“, „Gierig“ oder „Blume“ – das ist treffsichere Popmusik, hochbefindlich und etwas sarkastisch, aber von unglaublicher musikalischer Dichte. Ebenfalls unglaublich: Das ist live besser und anders pointiert als auf ihrer famosen zweiten Platte „Wer bringt mich jetzt zu den anderen“.

Nicht richtig jung, aber auch nicht richtig alt

Die Höchste Eisenbahn sind irgendwie nicht richtig jung, aber auch nicht richtig alt – und dennoch gewitzt genug, um Zeilen rauszuhauen wie „Ich weiß, dass besitzen wollen das dunkelste Gefängnis ist“, und eben auch schlau genug, nicht so zu tun, als würden ausgerechnet sie wissen, wie das gute Leben funktioniert. Das ist Musik über die Ahnung. „Draußen ist alles da, auch wenn es niemand bezahlt hat“, singt etwa Francesco Wilking.

Moritz Krämer und Francesco Wilking, die Vorsteher der Eisenbahn, pendeln sich da gegenseitig aus, wechseln munter von Gesang, Bass, Gitarre und Piano auf Geschichten, etwas Situationskomik und lupenreinen Softrock. Spätestens wenn Die Höchste Eisenbahn „Lisbeth“ mit fast unfassbarer Dynamik vor sich hertreiben, ist klar: Gerade Felix Weigt (Kid Kopphausen) und Drummer Max Schröder (Tomte, Der Hund Marie) kann man alleine in Gold nicht aufwiegen.

Weit entfernt von Clueso oder Annenmaykantereit

„Wer bringt mich jetzt zu den anderen?“, singt Krämer, gebückt am Fender Rhodes sitzend. „Hoffentlich niemand“, möchte man ihm entgegenbrüllen, denn das hier steht auf eigenen Beinen. Weit entfernt von Clueso, Annenmaykantereit und den „anderen“, die Lieder schreiben, damit Agenturen Hintergrundmusik für Werbespots generieren. Denn Bausparverträge sind derzeit unser kleinstes Problem. Die Höchste Eisenbahn werden sicherlich keines davon lösen, aber erträglicher machen.

Eine Frau hält ihr Handy hoch und fotografiert. Es wird eines der Bilder werden, das sie später achtlos wegwischt, denn da ist nichts zu sehen außer Instrumenten, vier Musikern und einem aus Neonröhren modellierten Rad – irgendwo zwischen „Glücksrad“ und Sat-1-Senderlogo. Die Schönheit des Moments wird erst durch den vielschichtigen Softrock der Berliner greifbar. So etwas muss man mit dem Herzen fotografieren.