Kann sich über den Erfolg und die Auszeichnungen seines Unternehmens freuen: Firmenchef Wolfgang Leonhardt Foto: Horst Rudel

Die Spur zu einem der innovativsten Mittelständler der Republik führt nach Hochdorf – zum Werkzeug- und Formenbauer Leonhardt. Angefangen hat alles vor bald 60 Jahren in einer bescheidenen Werkstatt im Wolfskehlenweg.

Hochdorf - Greift die modebewusste Dame zum „Schneeflockenbürstchen“,um ihre Augenpartie zu unterstreichen, reagieren die Scheinwerfer eines Autos der Premiumklasse autonom auf die jeweiligen Lichtverhältnisse im Straßenverkehr oder weisen die Problemlösungen für die Luft- und Raumfahrtindustrie gar in die Weiten des Alls, dann könnten da die Hochdorfer dahinterstecken. Dies sind freilich nur wenige Beispiele einer breiten Palette von Branchenprodukten, zu deren Herstellung die Firma Leonhardt die technischen und werkzeugmäßigen Voraussetzungen beisteuert. Den Schlüssel eines offenkundigen Erfolgsrezepts, das dem Unternehmen binnen acht Jahren bereits fünf Mal die Aufnahme in den exklusiven Kreis der „Top-100-Innovatoren“ beschert hat, sieht Firmenchef Wolfgang Leonhardt (61) „in der Verbindung bester Handwerkskunst mit Hightech“.

Die erforderliche „Saftquelle“ musste her

Die auch noch gebräuchliche Bezeichnung „Graveurbetrieb“ mag inzwischen etwas antiquiert klingen, aber sie umschreibt im Falle Leonhardt gleichwohl treffend die Anfänge des knapp 60 Jahre alten Familienbetriebs. Und die Chronik der Hochdorfer Firma ist zudem ein Paradebeispiel für unternehmerischen Pioniergeist.

Ehe sich der aus Sachsen stammende Gründer Günter Leonhardt, der Vater des heutigen Inhabers, als gelernter Stahlgraveur selbstständig machte, hatte er erst bei der Esslinger „Gravieranstalt“ und dann beim Werkzeugbauer Pfletschinger und Gauch in Plochingen gearbeitet. An seinem Wohnort Hochdorf, so erzählt Wolfgang Leonhardt, wurde der Sprung in die Selbstständigkeit zunächst dadurch erschwert, dass damals in Privathaushalten kaum der zur Fertigung nötige Starkstrom zur Verfügung stand. Zu seinem Glück konnte der Firmengründer in spe im Wolfskehlenweg ein bescheidenes Häusle mieten, dessen Besitzer als Mitarbeiter der Neckarwerke über die erforderliche „Saftquelle“ verfügte. Und so kam es, dass Günter Leonhardt unter einem Dach mit Hühnern und Hasen und bei viel Handarbeit mit Spritzgießformen den Modellbaufirmen Märklin in Göppingen und Graupner in Kirchheim/Teck zuarbeitete.

Die Innovationsfreude der Leonhardts lässt sich allein an der Entwicklung der Werkstattgröße ablesen. Von anfänglich zwölf Quadratmetern im Wolfskehlenweg stieg sie sukzessive auf heute 475 Quadratmeter im 1970 in der Mozartstraße eröffneten Firmendomizil. Auch die Zunahme beim Personal von neun (1970) auf jetzt 30 Mitarbeiter zeugt von Dynamik; wie sich Wolfgang Leonhardt erinnert, kam den ambitionierten Unternehmenszielen seines Vaters seinerzeit entgegen, dass der einst in Hochdorf ansässige Drehautomatenhersteller Traub ins nahe Reichenbach abwanderte – und etliche qualifizierte Mitarbeiter bei Leonhardt anheuerten. Als weiteren Gradmesser für Prosperität betont das Unternehmen, dass sich in den vergangenen vier Jahren ein Umsatzplus von nahezu 30 Prozent ergeben habe. Und: Man habe selbst in wirtschaftlichen Krisenzeiten noch nie Kurzarbeit einführen müssen, verkündet Wolfgang Leonhardt, Firmenchef seit 1992, mit unüberhörbarem Stolz.

Im Impressum der „Goldbibel“ verewigt

Das Jahr 1970 markiert nicht nur den Bau des neuen Stammsitzes, sondern auch die Fertigung des ersten Spritzgießwerkzeugs für Hochleistungskeramik, einem Werkstoff, der nach wie vor einen innovativen Schwerpunkt in der Hochdorfer Mozartstraße bildet. In Kooperation mit der Universität Stuttgart hat man nach Firmenangaben aus dem ursprünglichen Isolationsmaterial einen leitenden und erodierbaren Werkstoff entwickelt, der widerstandsfähiger als Stahl oder Hartmetall sei.

Einen Coup mit frommem Hintergrund, der verfahrenstechnisch an die Ursprünge des Hochdorfer Unternehmens anknüpft, landete Leonhardt im April 2005. Im Nachklang zur Amtseinführung von Joseph Aloisius Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hatten die Verlage von „Bild“ und „Weltbild“ in einer Sonderauflage von 100 000 Stück jenes Evangelienbuch herausgegeben, das Benedikt bei einer Messe auf dem Petersplatz den Gläubigen präsentierte. Die Werkzeuge für die Prägung des reich verzierten metallenen Buchdeckels stammen aus dem schwäbischen Hochdorf. Und die Firma Leonhardt findet sich daher auch im Impressum der „Goldbibel“ verewigt.