„Das ist keine Falle“, beschwichtigte Johann Gudenus noch. Doch, es war eine. Das brisante Filmmaterial, das Vizekanzler Heinz-Christian Strache stürzte, wurde Journalisten in einem verlassenen Hotel übergeben.
Stuttgart - Nach unzähligen Zigaretten und einer Reihe von Wodka-Red-Bull-Mischungen in der Villa auf Ibiza witterte Heinz-Christian Strache etwas Verdächtiges. Die beiden Lockvögel, die vermeintliche russische Oligarchennichte und ihr Vertrauter, sind gerade nicht im Raum an diesem Abend Ende Juli 2017, als Strache die Worte „Falle“ und „eingefädelt“ ausspricht. Dreckige Ränder an den Fußnägeln der vermeintlich reichen Russin haben ihn skeptisch werden lassen. Strache und Johann Gudenus, sein Vertrauter und bis zu seinem Rücktritt am Samstag FPÖ-Fraktionschef im Parlament, hatten davor an diesem Abend viele Stunden lang Übernahmepläne für Medien geschmiedet, Gerüchte über politische Mitstreiter gestreut und für illegale Wahlspenden geworben. „Das ist keine Falle“, beschwichtigte Gudenus. Doch, es war eine.
Mehr als sechs Stunden Videomaterial wurden mit versteckten Kameras in der Villa aufgezeichnet und der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) sowie dem „Spiegel“ zugespielt. Veröffentlicht wurden nur jene Teile, die man für öffentlich relevant gehalten habe, ohne private Plaudereien, sagte „Spiegel“-Redakteur Wolf Wiedmann-Schmidt dem Nachrichtensender N-TV. „Uns ging es nur darum, die politisch brisanten Vorgänge öffentlich zu machen.“ Das hatte genug politischen Sprengstoff, am Samstagabend kündigte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Koalition mit der FPÖ auf.
USB-Sticks im verlassenen Hotel
Der Weg, wie „SZ“ und „Spiegel“ an die Aufnahmen gelangten, war abenteuerlich. Das Team der „SZ“ sei an einen drei Stunden von München entfernten Ort geführt worden, musste an einer Tankstelle warten und wurde schließlich in ein verlassenes Hotel gelotst, erzählt „SZ“-Redakteur Bastian Obermayer auf „SZ online“ und fügt hinzu: „Wie man es sich in einem schlechten Film vorstellt.“
Eine Woche vor der Veröffentlichung hatte das „SZ“-Team das auf USB-Sticks gespeicherte Filmmaterial in der Hand, angeboten wurde es der Redaktion schon vor Monaten. Sobald die Authentizität des Videos sicher gewesen sei, habe man veröffentlicht, sagte „Spiegel“-Redakteur Wolf-Wiedmann Schmidt – ohne gezieltes Timing vor der Europawahl am kommenden Sonntag. Warum „SZ“ und „Spiegel“ das im Sommer 2017 aufgezeichnete Video erst so spät offeriert bekamen, bleibt offen.
Auch wer hinter dem Video steckt, ist unklar. Feststehen soll: Die Aktion war lange vorbereitet und wurde professionell durchgezogen. Woher das Material kommt, verraten „Spiegel“ und „SZ“ nicht. Sie berufen sich auf den Quellenschutz, der Journalisten erlaubt, ihre Informanden geheim zu halten und so zu schützen. Beide Medien geben an, für das Filmmaterial kein Geld gezahlt zu haben. Der Satiriker Jan Böhmermann kannte das Video bereits vor der Veröffentlichung, wie sein Manager Peter Burtz bestätigte. Böhmermann hatte im April in einer Videobotschaft zum TV-Preis Romy mitgeteilt, er sei „ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt“ in einer Oligarchenvilla auf Ibiza und verhandle die Übernahme der „Kronen-Zeitung“, was eindeutig auf den Inhalt Videos hinweist.
Sicher ist, dass die Aufnahmen authentisch und nicht manipuliert sind. Die Medienhäuser ließen vor der Veröffentlichung das Material von mehreren Sachverständigen prüfen, unter anderem vom Fraunhofer-Institut für Informationstechnologie. Vor allem aber bestreiten weder Strache noch Gudenus, dass sie die Gespräche in der Villa geführt haben.