In dem Dorf Nakudi (hier Dorfvorsteher Mussa Naminya) in Uganda wird bei einer Beerdigung Gold gefunden – es folgt ein Rausch nach dem Edelmetall Foto: Putsch

7000 Menschen sind nach Nakudi geströmt. Für die Regierungen in Afrika sind die informellen Goldschürfer Fluch und Segen zugleich. Der Sektor gibt Millionen Arbeit, zerstört aber Umwelt und Steuereinnahmen – zur Ökonomie eines modernen Goldrauschs.

Nakudi Village - Der Wahnsinn begann mit einer Beerdigung. Ojambo Tanga war lange krank gewesen. Als der Farmarbeiter schließlich starb, brachte sein Bruder den Leichnam zurück in sein Heimatdorf Nakudi, so wie es die Tradition verlangt. Gerade einmal 46 Jahre alt war Tanga geworden. Ein beliebter Mann, Hunderte nahmen an seiner Beerdigung am 5. Januar teil. Darunter auch einige Goldgräber. Und die konnten ihren Blick trotz aller Trauer kaum von den Gesteinen abwenden, welche die Totengräber ausgehoben hatten. Das geübte Auge erahnt, wenn sie Gold enthalten. Und im Boden von Nakudi befindet sich Gold. Das anziehendste aller Metalle.

Seitdem erlebt das beschauliche Dorf im ländlichen Osten Ugandas einen wahren Goldrausch. Tausende sind innerhalb weniger Wochen nach Nakudi gezogen. Sie haben eine Cassava-Plantage umgegraben. Auf einer Fläche mit der Größe von fünf Fußballfeldern ist so eine surreal anmutende Kraterlandschaft entstanden, über dem ein Dunst aus Staub liegt. An 68 Löchern wird gearbeitet, Hunderte Männer graben in der Mittagshitze Felsbrocken aus, Frauen tragen sie zu älteren Arbeitern, wo die Steine mit Hämmern zertrümmert werden. Anwohner stehen bis zu den Knien in mit Quecksilber verseuchten Pfützen, wo sie in Eimern mit Hilfe der Chemikalie Goldpartikel aus den Gesteinsschlamm isolieren. Seit sechs Uhr morgens schufften sie, meist ohne Pause, nur wenige reden. Der Rausch kennt keine Müdigkeit.

Dorfvorsteher Mussa Naminya, 42, ist ein Mann mit stattlichem Bauch, sanftem Lächeln und ruhiger Stimme. Die Leute schätzen ihn, weil er seine Entscheidungen mit Sorgfalt trifft. Doch nun sitzt er in einer kleinen Steinhütte wenige Meter neben den Goldgräbern und weiß nicht, wie er dem Chaos Herr werden soll. Vor ihm liegt ein Buch, handschriftlich hat er jeden einzelnen Goldschürfer eingetragen. Über 7000 Namen stehen inzwischen drin, mehr als die dreifache Dorfbevölkerung. „Hier sind Leute aus dem Westen des Landes, die Hunderte Kilometer gereist sind“, sagt er. Hinzu kämen sogar Goldschürfer aus Kenia und Tanzania. „Das ist kaum noch zu überblicken.“ 14 Polizisten nutzen die Hütte ebenfalls im 24-Stunden-Schichtbetrieb. In den vergangenen Tagen gab es sieben Verhaftungen, weil um Abschnitte mit besonders viel goldhaltigem Gestein gestritten wurde.

Strom gibt es kaum, die Menschen arbeiten mit einfachsten Mitteln

Uganda ist einer der großen Goldexporteure Afrikas, was lange in erster Linie auf Schmuggelware aus dem benachbarten Kongo zurückzuführen war. In den vergangenen Jahren aber floriert die illegale Förderung auch im eigenen Land. 200 000 Ugander verdienen sich mit informellem Bergbau ihren Lebensunterhalt, besonders seit dem spektakulären Anstieg des Goldpreises zwischen den Jahren 2000 und 2012 setzen viele von ihnen auf Gold.

Die Hoffnungen bei einem Goldrausch sind kaum an eine Epoche gebunden, sie sind in Nakudi ähnlich hoch wie in Kalifornien vor über 160 Jahren. Und die Bedingungen ähneln sich – nur wenige haben in Uganda bessere Gerätschaften als damals. Strom gibt es kaum, die Menschen arbeiten mit einfachsten Mitteln. Selbst die Mechanismen des Wahnsinns sind bisweilen zeitlos: In den USA wurde der Goldrausch des Jahres 1849 von Artikeln in der Zeitung „The California Star“ angeheizt, dessen Besitzer fortan mit dem Verkauf von überteuerter Bergbauausrüstung zum Millionär wurde. In Ugandas größtem Blatt „Daily Monitor“ erschien im Februar ein seitenlanger Artikel über den „verrückten Goldrausch“ in Nakudi. Seitdem würden noch mehr Leute in die Gegend strömen, klagt Dorfvorsteher Naminya.

Das sorgt zunächst einmal für Arbeitsplätze. Rund ein Viertel des weltweit produzierten Goldes stammt von informellen Goldschürfern, bei allen Edelsteinen zusammen sind es nach Angaben der Denkfabrik International Institute for Environment and Development sogar 80 Prozent. Weltweit bestreiten 20 Millionen Menschen auf diese Weise ihren Lebensunterhalt – zehn Mal so viele wie bei den großen registrierten Bergwerkfirmen beschäftigt sind. Sie ernähren über 100 Millionen Angehörige.

Tatsächlich scheint auch Nakudi ein kleines Wirtschaftswunder zu erleben. Es ist erstaunlich, wie schnell in Afrika mit wenigen Mitteln Handelsstrukturen entstehen. Da sind die oft mit gebügelten Hemden gekleideten Goldkäufer, die das Edelmetall nach Kampala bringen und dort weiterverkaufen. Oder Anbieter von Werkzeugen, die hier – wie einst in Kalifornien – zu den Spitzenverdienern gehören. Es gibt Zelte, in denen gegessen wird, Zelte mit Lebensmitteln und Handys, Hostel-Zelte und nicht zuletzt Kneipen.

Die Einnahmen werden zwischen Landbesitzer, Dorf und Gemeinde aufgeteilt

Der Bürgermeister traut der Mär der goldenen Zukunft nicht. Zwar verdient die Gemeinde in diesen Tagen gut. Für jede Baugrube wird eine Einmalzahlung in Höhe von 500 000 Ugandische Schilling fällig, das sind umgerechnet 160 Euro. Auch für jeden Verkaufsstand wird kassiert. Die Einnahmen werden zwischen Landbesitzer, Dorf und Gemeinde aufgeteilt. Bewohner verdienen als angestellte Goldgräber 10 000 Schilling am Tag, gerade einmal 3,20 Euro, aber immerhin das Dreifache eines durchschnittlichen Tageslohns in der Landwirtschaft.

Doch Naminya kennt die Gefahren. In den ersten Tagen arbeiteten viele Kinder auf dem Grundstück. Naminya schickte sie zurück zur Schule. „Das ist illegal, wir erlauben hier keine Minderjährigen.“ Und immer wieder stellt er sich die Frage, wie lange der Goldrausch andauern wird. „Die Hälfte des Dorfes gräbt, keiner kümmert sich um die Ernte. Wenn es schlecht läuft, wird in ein paar Monaten unsere Nahrung knapp.“

Einige der Schächte sind 15 Meter tief und kaum gesichert, immer wieder kommt es in der Gegend zu tödlichen Unfällen. Wegen der mangelnden Hygiene ist auch die Zahl der Krankheiten gestiegen – gerade einmal 13 Toiletten gibt es. Die größere Gefahr für die Bevölkerung aber ist die Verunreinigung des Trinkwassers durch Quecksilber, das über Flüsse in den Victoriasee gelangt und in dem zweitgrößten Süßwassersee der Welt den Fischbestand gefährdet. Das Gift hat auch für den Menschen bisweilen tödliche Auswirkungen auf Gehirn und Nervensystem. In Ländern wie Peru oder Ghana werden selbst bei Anwohnern, die nicht direkt mit Goldschürfen beschäftigt sind, oft deutlich erhöhte Werte festgestellt.

Vor ein paar Tagen ordnete Ugandas Regierung an, dass der informelle Bergbau in Nakudi und Umgebung vorerst eingestellt werden solle – bis „Steuereinnahmen, Lizenzen, Umweltprobleme und Gesundheitsfragen“ geklärt seien. Das zuständige Ministerium erklärte bei dieser Gelegenheit die realitätsfernen Auflagen für eine Lizenz. Für diese qualifiziert sich nur, wer zuvor ein Jahr im Besitz einer „Erkundungslizenz“ für eine Bodenanalyse war. Erst danach könne eine Förderlizenz beantragt werden – jedoch nicht von Individuen, sondern nur von größeren Zusammenschlüssen von Goldgräbern. In anderen Worten: Die Gesetzgebung ist allein für große Unternehmen konzipiert.

Dieses Phänomen beobachtet Brigitte Reisenberger von der Menschenrechtsorganisation FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk immer wieder in Afrika. „Der Staat hat eher ein Interesse, Lizenzen an Großkonzerne zu geben, um Steuern und Korruptionsgelder zu generieren“, sagt sie. „Und die Konzerne richten oft mit Cyaniden die weit größeren Umweltkatastrophen an.“ In vielen Gegenden Afrikas würden Bauern in ernteschwachen Zeiten seit Generationen mit dem Schürfen von Gold ihr Überleben sichern. Eine generelle Kriminalisierung dieser informellen Arbeit sei falsch.

Die Aktivistin hat dennoch eine kategorische Meinung: „Am besten wäre es, das Gold ganz im Boden zu lassen”, sagt Reisenberger. Es handele sich um eine Enklaven-Wirtschaft mit enormer Umweltverschmutzung und hochkonzentrierten Gewinnen, die kaum Effekte für nachgelagerte Industrien aufweisen würde. Tatsächlich profitiert die lokale Bevölkerung oft nur unwesentlich, höhere Einkommen werden durch rasant steigende Kosten in Goldgräbergegenden zunichte gemacht. Reisenberger fordert: „Die Regierung in Uganda würde weit besser daran tun, nachhaltig in eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Strukturen zu investieren.“

So weit will Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut nicht gehen. Es komme darauf an, wie eine Formalisierung der Kleinschürfer gemanagt werde. Und es gebe immerhin vereinzelte Erfolgsbeispiele – wie in Ruanda. „Die Mehrheit der Konzessionen darf für maximal fünf Hektar ausgestellt werden, so dass die Kleinschürfer nicht verdrängt werden”, erklärt Hütz-Adams. Der Staat habe erkannt, dass der Sektor viele Arbeitsplätze generiert und die Einkünfte anders als bei großen Bergbaufirmen überwiegend in der Gegend bleiben. Ruanda biete zudem Beratungsdienste und Hilfsleistungen an, um die Umweltschäden zu minimieren. Eine Ausnahme, sagt der Forscher: „In den meisten anderen afrikanischen Ländern sehe ich das nicht.“

In Nakudi erfüllt niemand die Auflagen. Hier wird weitergegraben, egal was die Regierung sagt. Überhaupt hat nur jeder 20. Goldschürfer in Uganda eine Lizenz. Man könne den Leuten nun einmal schlecht verbieten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sagt Naminya. Sein Dorf wächst, und die Leute scheinen sich auf einen längeren Aufenthalt einzustellen.

Vor Kurzem hat er jemandem erlaubt, ein Zelt mit einer Karaoke-Anlage aufzubauen, per Banner wird sie am Eingang der neuen Stadt groß beworben. Und etwa 30 Prostituierte sind nach Nakudi gekommen, schätzt Naminya. Er zuckt mit den Schultern. Verhindern könne man auch das kaum. Er hat von Hilfsorganisationen Kondome beantragt – in Uganda steigt in Bergbaugegenden die HIV-Infektionsrate rasant. Wo Gold vorregnet, wusste schon der deutsche Dichter Karl Simrock im 19. Jahrhundert, da regnet das Laster nach.