Macht sich für mehr Wahlbeteiligung stark: Michelle Obama. Foto: AFP

Michelle Obama, die frühere First Lady der USA, präsentiert ihre Memoiren – nicht in verschwiegenen Buchhandlungen, sondern in Stadien. Läuft sie sich für Größeres warm?

Washington - Die Schnäppchen-Tickets zu 29,50 Dollar waren schon vergriffen, bevor der Vorverkauf vor zehn Tagen offiziell startete. Bald darauf gab es keine Karten für 120 Dollar mehr. Inzwischen muss man 412 Dollar plus diverser Gebühren hinblättern, um bei dem Ereignis hoch auf dem Rang eines Washingtoner Stadions dabei zu sein. Ein Platz in den ersten Reihen schlägt mit 3000 Dollar zu Buche.  

Doch nicht Elton John oder Madonna werden im November in zehn amerikanischen Städten eine gigantische Bühnenshow abziehen. Vielmehr will eine Frau ein bisschen vorlesen und ein paar Fragen beantworten. Dafür haben die Veranstalter zwischen Los Angeles und New Yorks Veranstaltungshallen mit jeweils mindestens 15 000 Sitzen angemietet.

Die Erwartungen an das Buch sind riesig

In der Hauptstadt soll dieser Megastar in der Capital-One-Arena auftreten. Die Halle wird normalerweise vom Eishockeyteam der Washington Capitals genutzt. Um wen es sich handelt? Michelle Obama.   Eine Woche nach den kommenden – vielleicht schicksalhaften – Kongresswahlen wird die ehemalige First Lady unter dem Titel „Becoming. Meine Geschichte“ ihre Memoiren vorlegen. Das Coverfoto zeigt eine makellos lächelnde Frau mit schulterfreiem T-Shirt.

Über den Inhalt aber weiß man nichts. Das Buch werde „die Erfahrungen, die sie geprägt haben“, schildern, hat der Verlag nichtssagend angekündigt. Trotzdem ist die öffentliche Erwartung riesig. An den Supermarktkassen im Land werden Michelle-Sonderhefte voller Hochglanzfotos für stolze 14,99 Dollar verkauft. Und die Tickets für die Buchtour gehen weg wie warme Semmeln.   Normalerweise stellen Autoren ihre Werke in Buchhandlungen vor. Selten verlangen sie dafür in den USA auch schon einmal 20 oder 30 Dollar Eintritt. Aber die Lesetour von Michelle Obama sprengt jede Dimension. Als Hillary Clinton im vorigen Jahr ihr viel beachtetes Erinnerungsbuch „What happened“ mit einer Aufarbeitung der Wahlniederlage vorlegte, las sie in Theatern und Opernhäusern vor 1500 bis 3000 Zuhörern.

Wird sie die Nummer Eins bei den Demokraten?

Aber zehn riesige Stadien und mehrere Hundert Dollar Eintritt? „Frau Obama wollte ihre Tour für so viele Menschen wie möglich öffnen“, erklärt der Veranstalter Live Nation Touring. Kritik an den Preisen kontert er mit dem Hinweis, zehn Prozent der Tickets seien kostenlos an soziale Einrichtungen und Schulen gegangen.   Der Großteil der Besucher muss trotzdem einen beachtlichen Teil seines Monatseinkommens hinblättern, um die ehemalige Präsidentengattin live zu erleben.

Doch in der Ära Trump wächst in der US-Bevölkerung offenbar die Sehnsucht nach positiven Gegenbildern. Seit Längerem schon wird Michelle Obama als denkbare Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gehandelt, obwohl sie sich seit dem Auszug aus dem Weißen Haus mit politischen Kommentaren bewusst zurückhält. Öffentlich aufgetreten ist sie zuletzt vor allem bei Veranstaltungen ihrer überparteilichen Initiative When We All Vote zur Steigerung der Wahlbeteiligung.   Als Reaktion auf den vulgären Populismus von Trump hatte Michelle Obama ihrer Partei geraten: „When they go low, we go high!“ („Je tiefer sie sinken, desto höher müssen wir steigen“) Inzwischen halten nicht wenige Demokraten diesen Slogan für ehrenwert, aber unwirksam. „When they go low, we must hit back harder“ („Je tiefer sie sinken, desto härter müssen wir zurückschlagen“), hat der Anwalt der mutmaßlichen Trump-Gespielin Stormy Daniels, Michael Avenatti, kürzlich dagegengesetzt.

Zumindest in Bezug auf ihre privaten Einnahmen aber hat sich Obamas Devise „Go high!“  ausgezahlt: Für die Memoiren von Michelle und die demnächst erscheinenden Erinnerungen von Barack soll das Ehepaar vom Verlag zusammen rund 65 Millionen Dollar kassieren.