Der Krieg bringt härtere Zeiten mit sich. Einerseits droht eine Rezession – andererseits sind die Kassen leer. Daraus folgt: Die Politik kann nicht mehr immer nur aus dem Vollen schöpfen, meint Matthias Schiermeyer.
Bei allem Leid, das der Krieg in der Ukraine sichtbar macht, zeigt sich auch, wie wohlbehalten die Menschen hierzulande noch leben können. Spritpreise von zwei Euro sind für viele schon die größte persönliche Einschränkung. Doch dabei dürfte es nicht bleiben, weshalb sich die drängende Frage stellt: Wie groß ist die Bereitschaft, ein paar Jahre vielleicht etwas zurückzustecken?
In einer Welt fundamentaler Ungewissheiten sehnen sich die Menschen nach Stabilität. Darunter wird hierzulande vor allem ökonomischer Halt verstanden – die Angst vor Wohlstandseinbußen ist enorm groß. Einer auf Wachstum getrimmten Gesellschaft liegt der Verzicht nicht.
Die Merkel-Regierung hat viele Corona-Probleme ausgeglichen
In den Merkel-Jahren haben sich die Regierenden präzise darauf eingestellt. Insbesondere in der Pandemie wurde praktisch jeder davon betroffenen Bevölkerungsgruppe ein finanzieller Ausgleich verschafft. Es war die Reaktion auf eine Anspruchshaltung mit folgender Logik: Der Staat ist zwar nicht für die Verbreitung des Coronavirus verantwortlich, hat aber die daraus folgenden Einschränkungen verfügt und muss daher etwaige Verluste ausgleichen. Dies verfing – zahlreiche Statusgruppen wurden bedient.
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Obwohl die Finanzlage heute eine völlig andere ist, hat die Ampelregierung diese Politik, die allen gut-, aber niemandem wehtut, übernommen. Mit dem Energie-Entlastungspaket wird erneut Geld auch an diejenigen verteilt, die es nicht dringend benötigen. Dennoch ertönen schon wieder Rufe nach weiteren Entlastungen. Was aber, wenn sich der ukrainische Flächenbrand ausweitet und wenn die Kriegsfolgekosten – etwa durch einen Gas- und Ölimportstopp – rasant steigen? Will die Ampel immer wieder mit dem Füllhorn losrennen?
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Wenn wir in einer Zeitenwende leben, dann gilt dies auch für den Fürsorgestaat. Es braucht einen Konsens des Maßhaltens. Der Staat muss Verwerfungen am Arbeitsmarkt und Armut abwenden; er kann aber nicht dauerhaft alle möglichen Härten auffangen und einen stetig wachsenden Wohlstand garantieren. Warum stellt sich bislang kaum ein Verantwortlicher hin und warnt mit Nachdruck vor den Risiken einer Rezession, die mit Händen fast zu greifen ist? Eine ehrliche Darstellung der prekären Lage würde eher Verständnis wecken als soziale Proteststürme auslösen. Immerhin: Während Kanzler Olaf Scholz das Signal härter werdender Zeiten noch vermeidet, hat sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann nun erstmals um Klartext bemüht.
Der Staat kann nicht mehr aus dem Vollen schöpfen, sondern muss Prioritäten setzen: Erhöhte Ausgaben für den Erhalt von Freiheit und Demokratie sind ebenso unvermeidlich wie zur Bewahrung einer lebenswerten Umwelt. Auch bleiben der Gesundheitsschutz sowie die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft als zentrale Aufgaben auf der Tagesordnung.
Der Staat muss Prioritäten setzen
Woher soll all das Geld kommen: Sollen die grundgesetzlichen Schranken beseitigt werden, um immer höhere Schuldenberge aufzutürmen? Sollen die nächsten Generationen immer stärker belastet werden? Das wäre ebenso wenig weitsichtig wie die vage Hoffnung auf den nächsten Daueraufschwung, der Milliarden in die Kassen spült.
Steuererhöhungen dürfen kein Tabu sein
Sparen scheint ein Fremdwort geworden zu sein. Auch darf es kein Tabu mehr sein, über die Verbesserung der Einnahmen nachzudenken – bei denjenigen, die eine erhöhte Belastung verkraften können. Der Krieg wirft alle Finanzplanungen über den Haufen und entbindet die Ampel und insbesondere den FDP-Finanzminister von ihrem Versprechen, auf Steuererhöhungen zu verzichten. In Zeiten der Knappheit müssen Lasten fair verteilt werden. Dann stellt sich am ehesten eine Einsicht in das Notwendige ein.