Jens Reichenbach zeigt im Ausstellungsraum zwei Liegen, die in Krankenhäusern zum Einsatz kommen. Foto: KS-Images.de/Karsten Schmalz

Die Firma Greiner produziert Medizin-Produkte. Die Nachfrage aus der ganzen Welt ist aktuell so riesig, dass nur ein Bruchteil der Aufträge angenommen werden kann. Das Familienunternehmen stattet etwa ganze Corona-Zentren aus.

Pleidelsheim - Während aktuell zahlreiche Firmen ihre Mitarbeiter aufgrund fehlender Aufträge in Kurzarbeit schicken müssen, kann die Firma Greiner aus Pleidelsheim die Nachfrage nach ihren Produkten kaum stillen. Täglich gehen rund 100 Auftrags-Anfragen ein – aus der ganzen Welt. Denn: Medizinische Produkte sind in Zeiten des Coronavirus gefragt wie nie. „Der Medizinbereich wächst bei uns seit rund vier Jahren überdurchschnittlich, aber die aktuelle Lage ist unglaublich. So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Jens Reichenbach, der bei der Firma Greiner für den medizinischen Bereich verantwortlich ist.

Das Familienunternehmen stellt mobile, hoch-flexible und mit einem Akku elektrisch betriebene Bettliegen her, die momentan in Corona-Zentren, Behelfskrankenhäusern und normalen Kliniken dringend benötigt werden. Des Weiteren finden sich in dem Portfolio des Unternehmens Beistelltische für Krankenhausliegen sowie Hocker für Ärzte und Pfleger. „Insgesamt kann man sagen: Wir bieten Lagerungssysteme in vielen verschiedenen Formen an. Das klassische Klinikbett machen wir nicht. Das tun andere. Mit unseren Liegen kann man dafür komplette Behandlungen durchführen“, so Reichenbach. Das Besondere: Bei den Modellen können die Patienten sitzen und liegen, zudem sind die Liegen kleiner als normale Krankenhausbetten, was gerade in den Corona-Zentren den Vorteil bietet, dass man mehrere Betten stellen und damit mehr Patienten aufnehmen kann.

Eigentlich unterhält die Firma Greiner drei Geschäftsbereiche. Neben dem Medizinbereich ist das Unternehmen auf Friseurstühle sowie besondere Fahrzeugsitze, wie etwa Sitze für Skipistenbullis, spezialisiert. „Vor rund drei Wochen sind dann aber verständlicherweise so gut wie alle Aufträge aus dem Friseur- und Fahrzeugbereich weggefallen“, berichtet Geschäftsführerin Kristina Greiner. Kurzerhand orientierte man sich um und stellte seinen kompletten Betrieb auf die Produktion von Medizinprodukten um. „Wir haben überlegt, wo unsere Chancen liegen. Da es hieß, dass es überall zu wenig Intensivbetten gibt, haben wir überlegt: Was können wir anbieten, wo können wir unterstützen? Man hat ja gesehen, dass da eine große Nachfrage und der Markt dafür da ist“, erklärt Kristina Greiner. Innerhalb kürzester Zeit richtete sie einen Krisenstab ein und schickte erst alle Mitarbeiter ins Homeoffice, bei denen es ging. Hauptsächlich Vertriebsmitarbeiter. „Die größere Herausforderung war dann die Einführung eines Schichtbetriebs in der Produktion. Doch das konnten wir dann auch innerhalb von drei Tagen umsetzen“, so die Geschäftsführerin. Seitdem wird produziert was das Zeug hält.

Der große Vorteil: Das Familienunternehmen setzt schon seit jeher auf Lieferanten aus der Umgebung und kauft nicht in anderen Ländern zu. „Deshalb sind wir jetzt – im Gegensatz zu anderen – noch handlungsfähig“, macht Kristina Greiner klar. Der Großteil der benötigten Teile wird direkt vor Ort in der eigenen Schäumerei und Näherei produziert, andere werden zum Beispiel in Mundelsheim, Oberstenfeld oder Pleidelsheim produziert. „Insgesamt haben wir rund 200 Lieferanten und 30 bis 40 Partner“, zählt die Geschäftsführerin auf und ist froh über die Nähe zueinander. „Die Firmen machen zum Teil Dinge möglich, das glaubt man gar nicht. Die Situation setzt Kräfte frei, von denen man gar nicht wusste, dass man sie hat“, findet sie. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist es, das sie in diesen Tagen so erstaunt – auch in der eigenen Firma. „Man hat das Gefühl, dass der Zusammenhalt von Tag zu Tag größer wird.“ Das Ziel, so viele Behelfs-Krankenhäuser und Einrichtungen wie möglich mit dem ganz dringend benötigten Mobiliar zu beliefern, schweißt alle 105 Mitarbeiter zusammen. Das Problem: „Wir können viel, aber nicht zaubern“, sagt Kristina Greiner mit Blick auf die Masse der Aufträge, die Tag für Tag ins Haus flattern.

Zur Einordnung: Die normale Lieferzeit für 1000 Liegen beträgt eigentlich sechs bis acht Wochen. „Momentan hätte sie aber jeder gerne innerhalb von zehn Tagen. Da heißt es auch immer, der Preis spiele keine Rolle. Aber wir können trotzdem nicht zaubern. Wir kommen kapazitätstechnisch einfach an Grenzen. Pro Tag können wir rund 80 bis 100 Produkte herstellen“, sagt Jens Reichenbach.

Apropos Geld: Die Firma Greiner hat die Preise für ihre Produkte – auch wenn sie es aktuell könnte – nicht erhöht, sondern sogar etwas gesenkt. „Denn wir wollen uns mit der Krise nicht bereichern. Wir können Leben zwar nicht retten, aber wir können helfen und wollen es“, macht Kristina Greiner klar. Umso schwerer fällt es deshalb, wenn man Aufträge ablehnen muss, wie etwa vor ein paar Tagen, als man 2500 Beistelltische nach England und Irland hätte liefern können. „Aber innerhalb von zehn Tagen war das nicht machbar“, so Reichenbach. Auch, weil man in den vergangenen Tagen mehr als 500 Liegen für ein Behelfs-Krankenhaus auf dem ehemaligen Expo-Gelände in Hannover produziert hat. Ähnliche Corona-Zentren sind in Wien, Zürich, Essen und Berlin geplant und werden mit den Greiner-Produkten ausgestattet.

Insgesamt ist das Familienunternehmen auf dem kompletten Weltmarkt tätig, rund 70 Prozent der Ware geht ins Ausland. „Wir beliefern alle Kontinente“, erklärt Jens Reichenbach. Neben Fachhändlern verhandelt das Unternehmen auch mit verschiedenen Regierungsstellen und der Bundeswehr. Aktuell steht man unter anderem in Verhandlungen mit Australien und England. „Hier sind Plasmaspenden ein großes Thema. Sollten Bluttransfusionen wirklich im Kampf gegen das Coronavirus helfen, dann dürfte sich die Nachfrage nach unserem Behandlungsstuhl noch einmal um ein Vielfaches steigern“, erklärt Reichenbach und fügt an: „Aktuell müssen wir stets schnell entscheiden. Wir schmeißen unsere Produktion deshalb fast täglich um.“ Bei diesen Worten blickt er sich in der Produktionshalle um. Ein Großauftrag aus Libyen mit 150 Liegen und zahlreichen Beistelltischen steht zur Abholung bereit. Auch ein Auftrag für Katar ist fertig. Die Liste der noch zu erledigenden Aufträge nimmt jedoch nicht ab – und wird es in der nächsten Zeit sicherlich auch nicht tun. Denn: Die Firma Greiner ist als systemrelevantes Unternehmen eingestuft und darf im Fall der Fälle auf jeden Fall weiterproduzieren. Darüber sind Kristina Greiner und ihr Team extrem froh, denn für sie ist es ein Privileg, in diesen Zeiten helfen zu können. „Und so gut wir das können, tun wir das auch“, sagt sie. Denn: Jede Liege, die den Weg in ein Krankenhaus dieser Welt findet, kann den Unterschied machen. Das wissen die Mitarbeiter in Pleidelsheim – und geben deshalb in diesen Tagen Vollgas.