Drahtige One-Man-Show: Thomas D von den Fantastischen Vier auf dem Schlossplatz Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Erinnerungswürdiges Heimspiel, furioses Festival-Finale: Die Fantastischen Vier feiern zum Abschluss der Jazz Open auf dem restlos ausverkauften Schlossplatz eine begeisternde Party.

Stuttgart - Ob im kleinen Club (wie im März im Wizemann anlässlich der Präsentation ihres aktuellen Albums „Captain Fantastic“) oder bei den traditionellen, zweijährlichen Weihnachtskonzerten in der Schleyerhalle: Auftritte der Fantastischen Vier in Stuttgart sind etwas Besonderes. Hier, zwischen Heslacher und Degerlocher Jugendhaus und Wangener Kindergarten, haben Smudo, Thomas D, Michi Beck und AndYpsilon und ihre Fangemeinde ab Ende der Achtzigerjahre ein gemeinsames Coming-of-Age-Oeuvre geschaffen, das Hineinwachsen in die Welt und das (bitte nicht zu schnelle) Erwachsenwerden durchlitten, durchlebt, gefeiert, Stuttgart aus dem popkulturellen Winterschlaf erweckt und als Hip-Hop-Hauptstadt der Nation erfunden. Und bei jeder Rückkehr der inzwischen in alle Winkel des Landes verstreuten Lokalhelden in ihre alte Heimat schließt sich aufs Neue der Freundeskreis zwischen den Fantas und ihren Fans.

Auch am Sonntagabend liegt dieses Flair um eine geteilte Biografie, ein Stück zusammen verbrachtes Leben über dem Schlossplatz. Gut siebentausend Fans sind gekommen, um nach elf Festivaltagen von Piano-, Vocal- und Saiten-Jazz über Rock und Blues bis zu intergalaktischem Elektropop eine rauschende Abschlussparty der Jazz Open zu feiern – und ein ganz spezielles Maß an identitätsstiftender Gemeinsamkeit. Und Smudo & Co. lassen sich nicht lange bitten. „Tunnel“ vom „Captain Fantastic“-Album eröffnet mit schweren Beats und pluckernden Synthies eine temporeich getaktete Show, die Kopfnicker zu Party-People und Party-People zu Feierbiestern macht.

Speed Dating zwischen Jazz und Hip-Hop

Die Basis für ein erinnerungswürdiges Heimspiel legt die einmal mehr prächtig disponierte Fanta-Backingband mit einem phasenweise gewaltig groovenden Sound, während Smudo & Co. ihr intensiv ausgeleuchtetes, vom dräuenden Gewitterhimmel über dem Neuen Schloss düster abgedunkeltes Set mit viel Körpereinsatz und rasant verzahnten Sprechgesängen vorantreiben. Fast im „Kickdown“-Modus, geht es so zwei Stunden lang durch Hip-Hop und Rap. Aber halt, da war doch was? Richtig: Man spielt ja gerade bei den Jazz Open – die unvergessenen Hip-Hop-Open der Nullerjahre sind nur noch eine schöne Erinnerung. Also werden nach einem rasanten Anfangsdrittel mit „Was geht“ und „Picknicker“ als Highlights flugs ein paar Jazz-Vibes ausgepackt. Rund um einen gut gechillten „Tag am Meer“ dürfen Orgel und Gitarren in entspannter Gangart nun Fusiongefilde durchschlendern, Bass und Schlagzeug artig zu kurzen Soli antreten, kurzfristig wird gescattet statt gerappt.

Dass die Liaison zwischen Hip-Hop und Jazz zu mehr gut ist als nur zu einem oberflächlichen Speed Dating zwischen den Genres (man denke nur an Großtaten von Public Enemy oder Herbie Hancock und das „Jazzmatazz“-Projekt des US-Rappers Guru) deutet diese von keinerlei akademischem Ernst getrübten Annäherung an den Jazz allerdings nur sachte an. Und wenn Smudo zur Trompete greift, bleibt noch reichlich Luft nach oben – den neuen Till Brönner gibt es da jedenfalls nicht zu hören. Aber klar: In erster Linie agiert hier immer noch eine Hip-Hop-Band, die eine ganze Menge mehr zu tun hat als sich an einem jazzigem Gruppensound zu versuchen. Meinungsstark spielen die Fantas gegen die „Pop-, Pop-Populisten“ unserer Tage an, die lieber Endzeitstimmungen predigen als Gemeinschaftsgefühle, und Thomas D inszeniert „Krieger“ als eindrucksvoll drahtige One-Man-Show.

Die Fans feiern und tanzen

Mit „Zusammen“ und „Sie ist weg“ geht es dann auf die Zielgerade; längst hat da der Regen eingesetzt überm Schlossplatz, doch die Fans tanzen und feiern zu „MfG“, „Populär“ sowie zu „Hitisn“ als einem neuen Publikumsfavoriten so euphorisch darüber hinweg, als wär’s das letzte Mal. „Die da“ als veritables Rhythmusmonster und ein mitreißendes „Troy“ als Rausschmeißer beenden dann einen stürmisch gefeierten Abend, der erst danach kurz innehalten lässt: Hoppla – teilweise knapp dreißig Jahre alt sind diese Hymnen des deutschen Hip-Hop inzwischen, und die Fantas und Teile des Publikums kommen so langsam in den fünfziger Jahren ihres Lebens an. Zusammen fängt man also gerade an, sich ganz langsam ans Älterwerden zu gewöhnen – und das nächste Kapitel einer gemeinsamen Beziehung zu schreiben.