Der CSU-Mann Manfred Weber läuft sich für den Spitzenposten in der EU-Kommission warm. Foto: dpa

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber will Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden. Seine Chancen dafür stehen sehr gut.

Brüssel - Wenn er es schafft, wäre es eine Kulturrevolution. Bisher standen immer ältere Staatsmänner an der Spitze der EU-Kommission, dem mächtigen Brüsseler Beamtenapparat, der Vorschläge für neue EU-Gesetze vorlegt und darauf achtet, dass die EU-Mitgliedsländer die Verträge einhalten. Jetzt läuft sich mit dem Niederbayer Manfred Weber ein Mann für den Spitzenposten warm, der jung ist und sehr früh in seiner politischen Karriere auf Europa gesetzt hat. Der 46-jährige CSU-Vize hätte auch in Bayern etwas werden können, wechselte aber mit 32 aus dem bayerischen Landtag ins Europaparlament. Dort führt er seit 2015 die größte Fraktion der europäischen Christdemokraten (EVP).

Weber verkörpert wie kein anderer in seiner Partei das Mantra von Franz Josef Strauß: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft.“ Weber hat ausgezeichnete Chancen, im nächsten Herbst die Nachfolge von Jean-Claude Juncker anzutreten. Früher kungelten die EU-Regierungschefs unter sich aus, wer an die Spitze der Kommission kommt. 2014 hat sich das Europaparlament das Recht erkämpft, ein entscheidendes Wort mitzureden. 2019 will es nur einen Politiker zum Kommissionschef machen, der zuvor Spitzenkandidat einer europäischen Parteienfamilie war.

Weber war Landeschef der Jungen Union – gegen den Widerstand von Söder

Weber schickt sich an, Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten (EVP) zu werden. Es spricht viel dafür, dass die EVP wieder stärkste Fraktion wird. Seine Wahl wäre kein Selbstläufer: Er müsste bei Sozialisten und Grünen um Mehrheiten werben. Dabei hätte Weber gute Karten: Wegen seiner besonnenen Art, seinen liberalen Überzeugungen und seiner Fähigkeit zu integrieren und Kompromisse zu erarbeiten ist er bei allen Fraktionen beliebt.

Weber war früher Landeschef der Jungen Union. Er wurde es gegen den Widerstand von Markus Söder, dem jetzigen Ministerpräsidenten. Das ist angesichts des unterschiedlichen Politikstils der beiden CSU-Granden bemerkenswert. Während Söder laut und polemisch ist, argumentiert Weber eher nachdenklich und differenzierend. Das verbindet ihn mit Angela Merkel. Das allein kann aber nicht der Grund für die Kanzlerin gewesen sein, einen CSU-Mann zu ihrem Kandidaten zu machen. Vermutlich will sie auf Peter Altmaier, ihren Vertrauten, der auch ein guter Kandidat gewesen wäre, nicht verzichten.

Webers Kandidatur würde die Lautsprecher in der CSU dämpfen

Wahrscheinlich gehört zu Merkels Kalkül, dass Webers Kandidatur die Lautsprecher in der CSU dämpft. Zumindest bis zur Europawahl im Mai müssen Seehofer und Söder ihre Kritik an Merkels Linie zügeln, die Migrationspolitik nicht in nationalen Alleingängen, sondern gemeinsam mit Brüssel zu verfolgen. Tun sie dies nicht, würden sie die Kandidatur ihres eigenen Mannes beschädigen. Die Chance, Kommissionschef zu werden, bietet sich schließlich nicht oft: Letztmals kam mit Walter Hallstein 1958 ein Deutscher an die Spitze der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.