Gretta Louw verbindet digitale Kunst mit den Gemälden der Aborigines. Foto: Ines Rudel

Gretta Louw, die neue Bahnwärterstipendiatin, vergleicht in der Villa Merkel in Esslingen die Traumzeit der Aboriginies mit dem Cyberspace.

Esslingen - Für die einen ist es eine Krake, aber für die neue Esslinger Bahnwärterstipendiatin ist es eine Qualle. Dem weltweiten Datenverkehr oben in der Cloud, setzt die 36-jährige Künstlerin das Bild der Qualle im Meer entgegen. Schön anzuschauen, aber höllisch gefährlich mit ihren filigranen Nesselhaaren, die weit in das Wasser hineinreichen. Für die Wahl-Münchnerin ist es ein perfektes Symbol für das Internet: Ein Tier, das begünstigt durch die Erderwärmung und Umweltverschmutzung, manche Gebiete des Meeres völlig übernimmt.

Digitale Kunst muss ins reale Leben

Doch nicht nur die digitale Qualle zeigt Gretta Louw, die als Bahnwärterstipendiatin die nächtste Ausstellung in der Villa Merkel kuratiert, sondern auch die Werke von australischen und deutschen Künstlern. Andreas Baur, der Leiter der Städtischen Galerie, stellte beim Empfang der Bahnwärterin am Dienstag die berechtigte Frage, warum digitale Kunst überhaupt noch in der realen Welt aufscheinen müsse, um in der altehrwürdigen Villa Merkel gezeigt zu werden. Sie könnte doch gleich im Internet präsentiert werden?

Gretta Louws Antwort darauf ist, dass die Digitalisierung zwar im Internet stattfinde, von dort aber genauso Auswirkungen auf die reale Welt habe und das Leben ändere und die praktischen Dinge. Wiewohl die Künstlerin in München lebt, trägt sie ihr Heimatland Australien immer mit sich. Sie arbeitet in ganz engem Kontakt mit dem Warnayaka Art Centre in Nordaustralien und versucht, die Kunst der Aborigines mit der digitalen Welt zu verbinden.

Der Kontakt zu den Aboriginies ist immer noch belastend

Ein Kontakt, der immer noch moralisch belastend ist für die junge Frau, vor dem Hintergrund der Geschichte zwischen Eingeborenen und Einwanderern, die bis in die 70er-Jahre versucht haben, die Eingeborenen zu verdrängen und ihre Kultur zu vernichten. „Unser Haus in Australien liegt immer noch auf gestohlenem Land“, sagt Low.

Eine Kiste mit Kunstwerken steht schon am Hamburger Hafen. Für die Ausstellung hat sie ein Team von Künstlern aus Warnayaka versammelt, die nicht nur ihre Kunst zeigen, sondern auch vor Ort in der Villa Merkel malen werden.

Die Kultur der Aborigines ist eine Gewinnerin der Globalisierung und hat sich weltweit über die links-alternative Szene ausgebreitet. Jetzt findet Louw frappierende Parallelen zwischen den Aborigines und der digitalen Welt. Kaum eine Kultur war so vernetzt, wie die der Ureinwohner. Ihre Lieder beschrieben ihr Land, in ihrem Land wohnten ihre Mythen, ohne ihre Mythen gab es keine Gesetze.

Dies alles lebt noch heute in einem Raum, den die Ureinwohner Traumzeit nennen: Ein gedanklicher Raum, in dem Vergangenheit und Zukunft nebeneinander leben, wo Geister, Götter und Menschen eins sind. Für Louw ist diese Traumzeit das Pendant zum Cyberspace. Und vielleicht ist der Versuch, ein weltumspannendes Netz zu bauen, wo alles nebeneinander lebt, aus der Sehnsucht nach einer neuen Traumzeit geboren. Eine spannende Frage, die die Ausstellung von Gretta Louw vielleicht beantworten kann.

Ausstellung
Die Schau „Networking the Unseen“ beginnt am 20. Dezember in der Villa Merkel, Pulverwiesen 25 in Esslingen.