Denise Herrmann hat bei der Biathlon-WM in Östersund einen ganzen Medaillensatz gewonnen. Foto: dpa

Die Biathlon-WM in Östersund ist zu Ende, das deutsche Team zieht Bilanz – und weiß: Trotz aller Zufriedenheit muss weiter in die Zukunft investiert werden.

Östersund - Östersund ist für Denise Herrmann immer eine Reise wert. Hier gewann sie am 1. Dezember 2017 ihr erstes Weltcup-Rennen und zwei Tage später ihr zweites, am 10. März 2019 wurde die ehemalige Langläuferin Verfolgungs-Weltmeisterin und am WM-Abschlusstag kämpfte sie sich zu Bronze im Massenstart. Die 30-Jährige ist mit drei Medaillen, je eine in jeder Farbe, die erfolgreichste deutsche Starterin. „Ich weiß, wo es hingehen kann, wenn ich treffe“, sagte Herrmann, „bei diesem Wind heute habe ich mir gar keine großen Gedanken gemacht und einfach geschossen.“ Gold holte sich die Südtirolerin Dorothea Wierer, Silber ging an die Russin Jekaterina Jurlowa-Percht.

Bei dem Männern reichte es im Massenstart nicht zu einem Podiumsrang für einen Deutschen – Arndt Peiffer belegte als Bester Platz sechs, Benedikt Doll wurde Achter. „Ich bin zufrieden, aber es war ein kurioses Rennen“, sagte Peiffer, „es gab viele Fehler, die Strafrunde war ziemlich voll.“ Dominik Windisch hatte bei der Schneesturm-Lotterie die besten Nerven und das meiste Glück – Gold für den Südtiroler, es war ein italienischer Abschluss der WM.

Der DSV-Präsident ist zufrieden

Je zwei Gold- und Silbermedaillen sowie drei Bronzene gingen an die deutschen Skijäger. Östersund kommt nicht an die überragende WM 2017 in Hochfilzen (7/1/0) heran, ist aber gleichauf mit den Winterspielen 2018 (3/1/3) – es muss keiner beim Blick auf den Medaillenspiegel lamentieren. Franz Steinle, Chef des Deutschen Skiverbandes (DSV), bezeichnete das Resultat als „sehr gute WM, wir können mit der Entwicklung zufrieden sein, wenn man noch die drei vierten Plätze berücksichtigt“.

Bei einem mikroskopischen Blick ist der Glanz von Gold, Silber und Bronze jedoch leicht angekratzt. Besonders bei den Frauen, wo Laura Dahlmeier seit Jahren Alleinunterhalterin für Sponsoren und Fans in Schwarz-Rot-Gold geben muss. Trotz ihres fast Bibel-dicken Krankendossiers quält sich die 25-Jährige immer wieder aufs Podest, da taucht allen Beteuerungen zum Trotz („mir macht Biathlon enorm viel Spaß“) die Frage auf: Wird sie mit 30 Jahren noch im Weltcup-Zirkus auftreten? Die Zweifler nehmen eher an Zahl zu denn ab. Immer wieder wabern Gerüchte um ein Karriereende durch die Stadien. Denise Herrmann hat sich in Östersund in der Weltelite etabliert, wenn sie auch nicht mit der Dahlmeier’schen Konstanz auf dem Podium auftaucht. Bis 2022 will die Sächsin weitermachen, dann wäre sie 33.

Die Lücke hinter Dahlmeier und Herrmann

Hinter beiden klafft eine Lücke. Vanessa Hinz (26) war diesen Winter einmal Dritte, ist aber nicht nervenstark genug für die absolute Spitze, Franziska Hildebrand (31) kämpft ebenfalls mit regelmäßigen Schwächen, auch wenn sie diese Saison zweimal auf dem Trepperl stand, Franziska Preuß‘ (25) Vermögen reicht über Gelegenheitserfolge wie beim Sieg in Ruhpolding wohl nicht hinaus. Karolin Horchler, die ohne WM-Einsatz blieb, ist mit 29 Jahren kein Versprechen für die Zukunft mehr. Bei den Männern gewann Routinier Peiffer die einzige Einzel-Medaille, der Champion über 20 Kilometer ist aber schon 32. Daneben ist Doll (28) stets bereit, aufs Podium zu kommen.

Karin Orgeldinger, die Sportdirektorin Biathlon im DSV, schwebt nach sieben Medaillen nicht im siebten Himmel. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen“, sagte die 50-Jährige, „wir müssen die Sportler aus der zweiten Reihe schneller entwickeln.“ Bei den Männern hat Roman Rees (26) einen Schritt gemacht, er holte Silber mit der Staffel. Bei den Frauen setzte Anna Weidel (22) beim Weltcup im Dezember mit den Plätzen zehn und elf zwei Ausrufezeichen, doch danach startete sie wieder im IBU-Cup. „Leistungssport funktioniert nur dann gut“, sagte Orgeldinger, „wenn die Jungen nachdrängen.“ Um sie stärker in den Fokus zu rücken, nehmen die Nachwuchstrainer künftig an Klausuren der Chefcoaches teil und berichten über Talente und Probleme. Darüber hinaus will der DSV das Lauftraining an den Stützpunkten intensivieren und mit den Langläufern kooperieren. „Man sieht an Denise, dass das Laufen im Biathlon zunehmend Bedeutung gewinnt“, sagt Orgeldinger.

Vorteil in Sachen Technologie

Um eine Topnation zu bleiben, hat der DSV den Sparten Alpin, Nordisch und Biathlon einen Technologietransfer verordnet, Erkenntnisse über Technik und Hilfsstoffe wie Skiwachs werden ausgetauscht. Zusätzlich wird mit Partnern geforscht – so hat Ausrüster Adidas einen Rennanzug mit neuer Oberflächenstruktur entwickelt, der Vorteile in Abfahrten bringt. „Wir haben uns im Technologiebereich einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet“, sagte die Sportdirektorin, „das ist ein großer Schritt.“ Es sollte nur nicht der einzige oder letzte sein.