Erkennungszeichen SPD-rote Mütze: Ute Vogt im Wahlkampf am Marienplatz Foto: Lichtgut/Michael Latz

Sie wollen nach Berlin: Die zwölf aussichtsreichsten Bewerberinnen und Bewerber stellen wir in unserer Serie zur Bundestagswahl vor. Dieses Mal: Ute Vogt.

Stuttgart - Einmal durchschaut, ist der Gag gelungen: Ute Vogt hat „Bock auf Wahl“, das zeigt der Sticker auf ihrem Rucksack. Darauf zu sehen ist ein Bock, der auf dem Rücken eines stilisierten Walfisches steht. Bock auf Wa(h)l, ein Bilderrätsel mit Botschaft. Diesen Rucksack hat sie auch dabei, als sie sich in einem stickigen Klassenraum den Fragen junger Leute stellt. Sie haben zum Teil noch nicht so richtig Bock auf die Bundestagswahl, aber das mindert ihre Lust zu diskutieren nicht. Im Raum der Caritas an der Steiermärker Straße in Feuerbach sitzen junge Leute im Alter von 17 bis 25 Jahren, die Hilfe auf dem Weg ins Arbeitsleben brauchen. Deswegen werden sie im Projekt Jugend.Arbeit.Perspektive. betreut. Mal schüchtern, mal frech, kommen sie mit der Kandidatin ins Gespräch.

Mit ihrem Hobby punktet die Kandidatin bei Jugendlichen

Dass das Eis bricht, verdankt Ute Vogt doch tatsächlich einem Hobby, das Dennis, Yannik und sie gemeinsam haben: Es geht ums Motorradfahren. Die jungen Männer wollen wissen, was „die Politiker“ sich eigentlich gedacht haben, als sie vorschrieben, dass Fahranfänger ihre Maschinen drosseln müssen oder nur Motorräder mit geringerer Leistung fahren dürfen. Statt moralisierender Gegenrede, mit der sie wohl gerechnet hätten, nun das: volles Verständnis. „Das verstehe ich auch nicht. Ich fahre selber Motorrad, und ich bin total gegen diese Regelung“, sagt die 52-jährige Bundestagsabgeordnete. Respektvoll-staunend schauen die Jugendlichen die Frau an, die da in ihrer Mitte sitzt und so gar nicht klingt, als wolle sie irgendjemanden maßregeln. Und dann sind sie vielleicht sogar ein bisschen neidisch: „Ich habe das Glück, dass ich 1964 geboren bin und mit meinem Führerschein schon immer alle Maschinen fahren durfte“, fügt sie hinzu. Die Gesetze würden von Leuten gemacht, die gar keine Ahnung vom Motorradfahren haben. Und überhaupt: „Wir haben viel zu wenig Motorradfahrer im Bundestag.“ Ein paar mehr normale Arbeiter würden dem Parlament auch guttun, sagt Vogt. Das findet natürlich Anklang bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Am Ende der lebhaften Diskussion bekommt die Kandidatin ein gutes Zeugnis. „Das erwarte ich von einem Politiker, dass er sich auch mit Motorrädern auskennt“, sagt Dennis. Hilei, die aus Afghanistan stammt und wegen ihres Kopftuchs Probleme hat, ist etwas enthusiastischer: „Es macht mich glücklich, zu hören, dass sie für Gleichberechtigung ist“, sagt die junge Frau. Alexander will nach dem Gespräch „eher doch wählen gehen“, hat also ein bisschen Bock auf Wahl vermittelt bekommen.

Ute Vogt schätzt den Austausch mit Jungwählern

Ute Vogt ist begeistert von dem Gespräch. „Die waren gut dabei“, sagt sie. Für die Caritas hat sie auch viel Lob: „Es ist unglaublich, wie viele gute Angebote es in Stuttgart gibt“, sagt sie. Die Stadt sei ihr eh immer sympathischer geworden, seit sie 2009 hergezogen ist: Ute Vogt lebt in Botnang und erkundet von dort aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Stadt: „Es ist hier insgesamt ein gutes Miteinander. Ich hätte Stuttgart nie so aufgeschlossen und offen eingeschätzt“, lobt sie. Nur in den Landtag, da habe sie nicht hingepasst – Berlin ist ihre politische Bühne. Aufgrund ihres Listenplatzes Nummer 9 ist ihr Wiedereinzug gut abgesichert. „Aber trotzdem: Wir können hier was holen. Stuttgart ist gar nicht so ein schlechtes Pflaster für die SPD“, sagt Vogt. 1994 bis 2005 saß sie als Abgeordnete des Enzkreises im Bundestag. Nach einem kurzen Ausflug in den Landtag zog die in Heidelberg geborene Juristin 2009 erneut ins Parlament in Berlin ein, dieses Mal für Stuttgart.

Eine Picknickdecke ersetzt den klassischen Wahlstand

Das Pflaster des Marienplatzes ist in der Augustsonne jedenfalls ein gutes für Ute Vogt: „Ich finde es Klasse, dass sie so direkt mit den Leuten spricht“, sagt ein 63-jähriger Degerlocher. „Sie ist eine richtige Kämpferin, schön, dass ich sie mal persönlich treffe“, meint die 67-jährige Ingrid Pfeiffer aus Leonberg. Das Team hat eine Picknickdecke ausgelegt statt eines Wahlstandes. Vogt mag die Distanz nicht, die so ein Stand zwischen sie und die Leute bringt. Sie setzt sich die rote Datschkappe auf und mischt sich unter die Pendler, die zur Zacke eilen. Und nicht nur der „Stand“ ist ungewöhnlich, auch die Gesprächsstrategie ist neu: „Wir stellen den Leuten Fragen zum bezahlbaren Wohnraum“, sagt die Sozialdemokratin, ausgestattet mit Fragebogen und einem Stapel Flyer: „Auf der einen Seite ich, auf der anderen der Martin“, sagt der Schulz-Fan Vogt.

Die Strategie geht auf: Das Thema bewegt die Menschen sehr, und das bewegt auch Vogt: „Manche erzählen gleich ihre ganze Lebensgeschichte, das ist unglaublich, wie die ihr Herz ausschütten“, sagt Vogt.