Maria Martínez Peña in ihrer Wohnung im Stuttgarter Heusteigviertel Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sie kommt aus Madrid, studierte in London und wohnte in den Waggons am Nordbahnhof. Ohne sie wäre die Stuttgarter Theaterszene ärmer: die zupackende Bühnen- und Kostümbildnerin Maria Martínez Peña.

Stuttgart - Dreizehn Jahre lang hat Maria Martínez Peña in einem Waggon am Stuttgarter Nordbahnhof gelebt und gearbeitet. „Mein Paradies“ nennt die Kostüm- und Bühnenbildnerin diesen magischen Ort noch heute. Ohne diese Zeit mit „viel künstlerischer Freiheit und wenig Geld“ wäre die gebürtige Spanierin vermutlich schon längst auf und davon.

Und dann sitzen die Zuschauer in einer Premiere des Stuttgarter Studiotheaters und staunen. Vom Bühnenboden hängen an groben Ketten sechs graue, leinene Ungetüme, die Boxsäcken ähneln. Mal verkörpern sie eine Figur, mal ein Gepäckstück, mal bilden sie ein Labyrinth seelischer Verwirrung, mal eine Videofläche. In dieser wuchtigen theatralen Umsetzung der Gerhart-Hauptmann-Novelle „Bahnwärter Thiel“ unter der Regie von Christof Küster wird geliebt, gehasst und gemordet – und für das multifunktionale Bühnenbild ist Maria Martínez Peña gemeinsam mit dem Videokünstler Oliver Feigl verantwortlich. „Solche Welten wollte ich schon immer bauen“, sagt die Künstlerin.

Maria Martínez Peña studierte Mode und Design, Spezialfach Kostüm, in Madrid. Doch „Mode hat mich wegen des Kommerzes nicht wirklich interessiert“, sagt sie, weshalb sie zum Studium der Szenografie nach London zog und schließlich weiter nach Trier, um dort ihre Diplomarbeit über das Bauhaus zu schreiben. „Die Hälfte der Bauhaus-Studenten waren Frauen“, sagt die kämpferische Maria Martínez, „die meisten von ihnen wollten Architektur studieren, wurden aber von den Männern in die Weberei komplimentiert.“

Sie näht auch harte Ruhekissen

Sie allerdings wäre schon damals freiwillig in die Weberei gegangen. „Ich liebe Stoffe. Manche sind richtige Kunstwerke. Um die Kostümbildreste nicht wegwerfen zu müssen, nähe ich Kissen, auch solche mit harter Textur, so hart wie das Leben des Bahnwärter Thiel“, sagt die 41-jährige, im Heusteigviertel lebende Spanierin. Doch wie entsteht ein Bühnenbild? „Christof Küster, der Intendant des Studiotheaters, mit dem ich bisher rund zwanzig Produktionen erarbeitet habe, hat erste inspirierende Ideen. Ich füge meine hinzu und mache später Skizzen.“ Und weil sich der Bahnwärter durchs Leben kämpfen muss, kamen Küster und sie auf die Idee der beweglichen Boxsäcke aus hartem Leinen.

Maria Martínez Peña lacht gern, spricht aber auch engagiert über die politische Situation in Europa. „Europa hat sich verändert, die Menschen haben wieder Angst auf der Straße, auch in Spanien“, sagt sie. Vor wenigen Tagen erst sind Ultrarechte der Vox-Partei ins Regionalparlament von Andalusien gezogen. „Auch deshalb brauchen wir mutiges Theater wie kürzlich die ‚Vögel’ im Schauspielhaus“, findet sie. Nach der Premiere sei sie nachdenklich nach Hause gegangen und habe über kulturelle Grenzen nachgedacht.

„Ich bin seit 16 Jahren in Deutschland und habe mich hier immer wohl gefühlt. Doch seit einiger Zeit fühle ich mich manchmal ausgegrenzt, weil andere Ausländer ausgegrenzt werden – ich bin schließlich ein Teil von ihnen“, sagt die Mutter einer fünfjährigen Tochter. Die Tochter und der Lebenspartner waren auch der Grund, weshalb sie aus dem anarchischen Nordbahnhof-Waggon in eine solide Wohnung zog. „Ich bin ein Worcaholic, habe aber immer nur soviel gearbeitet, dass es für die nächste Reise gereicht hat, mit dem Rucksack nach Südamerika oder Thailand“, sagt sie.

In der Küche läuft spanisches, im Wohnzimmer deutsches Radio

Hat Maria Martinez Peña einen künstlerischen Traum? Sie denkt kurz nach, lacht wieder, wird ernst und sagt: „Ich brauche keine Träume, ich lebe einfach und arbeite.“ Neben dem Studiotheater ist sie unter anderem noch bei Lokstoff beschäftigt, im Theater Lindenhof und im Theater Weingarten. „Aber in Stuttgart bin ich nur wegen Christof Küster geblieben“, sagt sie. 2014 wurde seine Inszenierung von Max Frischs „Homo Faber“ in Hamburg mit dem Monica-Bleibtreu-Preis ausgezeichnet, der wichtigste Preis für Privattheater im deutschsprachigen Raum. Im Jahr zuvor wurde „Buntschatten und Fledermäuse“ für den Stuttgarter Theaterpreis nominiert – und auch Maria Martínez Peña selbst erhielt mehrere Stipendien und Einzelauszeichnungen.

Wie ehrgeizig ist sie? „Ich würde sagen: anspruchsvoll“, antwortet sie. Dazu gehört auch, dass sie sich ärgert, wenn in einer ästhetisch hochwertigen Inszenierung ein Tuch, das den Tisch bedeckt, an dem alle sitzen, trinken, reden, verknittert ist. Arbeitet Maria Martínez mal nicht, würde sie „am liebsten jeden Abend ins Kino“ gehen. Oder zu klassischer Musik tanzen, zu Flamenco oder zu Electropop. Und sie liebt das Radio, „in der Küche spanisches, im Wohnzimmer deutsches“. Aber manchmal sitzt sie auch einfach still auf einer Bank in der Sonne und denkt nach. „Über das Leben, die nächste Inszenierung“, sagt sie.