„Auferstehung Christi“, Ölgemälde von El Greco (1541-1614) aus dem Museo del Prado in Madrid. Foto:  

Krisen, Kriege und Konflikte, wohin man blickt. Und das Christentum kommt mit der Osterbotschaft „Der Friede sei mit euch!“

Stuttgart - „Die Zeit ist aus den Fugen“, lässt William Shakespeare seinen Helden Hamlet ausrufen. „O Fluch ihren Tücken! Dass ich zur Welt kam, sie zurechtzurücken!“ Die Exklamation des Prinzen von Dänemark im ersten Akt der Tragödie des englischen Dramatikers ist zeitlos. Eine archetypische Klage, die in der Weltliteratur zu allen Zeiten in allen möglichen Variationen formuliert wurde. „Abyssus abyssum invocat“ – „Abgrund ruft nach Abgrund“, heißt es rund 2000 Jahre vor Shakespeare im 42. Psalm der Bibel. Und 328 Jahre nach der Veröffentlichung von „Hamlet“ schreibt der französische Lyriker Paul Valéry: „Wir sehen jetzt, dass der Abgrund der Geschichte Raum hat für alle.“

Frohe Ostern! Was für ein frommer Wunsch

Frohe Ostern! Ein friedvolles Fest! Was für ein frommer Wunsch. Krisen, wohin man blickt. Steht die Welt nicht in Flammen? Toben nicht Kriege und Konflikte, die Unzähligen das Leben kosten, Familien auseinanderreißen, Hass und Zwietracht säen? Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht. 60 Millionen Heimatlose – und es werden immer mehr. Das Flüchtlingsdrama droht die Menschheit, Europa, Deutschland zu überfordern.

Viele glauben das und erklären die Politik der offenen Grenzen in Europa für gescheitert. Grenzzäune und Mauern werden aus dem Boden gestampft, um Zeit zu gewinnen und die Verzweifelten abzuhalten. Doch kaum ist ein Abgrund überbrückt, tut sich schon der nächste auf. Keine Brücke ist in Sicht, die darüber führt – und schon gar keine, die das Gehen leicht macht. Doch war das je anders in der Geschichte? Dieser Ansammlung von Gruben, in denen Menschen verscharrt wurden, diesen Schreckenskammern, die dem Leben ein Ende bereiteten.

Es war so zur Zeit der Römer, als ein jüdischer Wanderprediger durch Galiläa zog. Es ist heute so – in Syrien und anderswo. Und dann kommt dieser Jesus aus Nazareth und verkündet: „Friede sei mit euch!“ (Johannes 20, 21). Was für eine Anmaßung, welch ein Zynismus angesichts des Bösen und Leids in der Welt, sagen Skeptiker und Leugner des Christentums. Genügt denn nicht ein Blick in die Nachrichten, um sich diesem Urteil anzuschließen?

„Der Friede sei mit euch!“

Das Urteil stimmt. Und genau das ist die Botschaft von Ostern. Tod und Leben, Qual und Erlösung, Leid und Befreiung sind ineinander verwoben. „Der Friede sei mit euch!“ Diese Botschaft ist kein Trostpflaster für eine aus den Fugen geratene Zeit und Welt, kein frommes Placebo, das Ängste vergessen macht und Abgründe zudeckt. Ostern entlarvt den ganzen Un-Sinn der Geschichte und den falschen Optimismus all jener, die glauben, alles im Griff zu haben und die Welt nach ihrem Gutdünken gestalten zu können.

Die perfekte Welt? Unerreichbar!

Ostern reizt zum Widerspruch, zumal sich seit Christi Auferstehung die Welt nicht zum Besseren gewendet hat. Ostern bietet keine Handlungsanweisung, wie eine gerechtere Welt und politische Aussöhnung gestaltet werden können. Vielmehr hält es eine Erinnerung und Verheißung wach: Die Erinnerung an vergangenes Leiden, das auch größere Freiheit und Wohlfahrt künftiger Generationen nicht wieder gutmachen können. Und die Verheißung einer vollendeten Zukunft, in der Friede und Versöhnung herrschen.

Auch Christen wissen, dass eine Welt ohne Flucht und Unrecht Illusion ist und jeder Versuch, sie zu realisieren, scheitern muss. Die perfekte Welt – so die Osterbotschaft – ist unerreichbar. Gerade deshalb halten die Kirchen die Erinnerung an die Widersprüchlichkeit und Gebrochenheit menschlicher Existenz wach und fordern die Solidarität aller für eine bessere, gerechtere Welt ein. Aber auch dieses Engagement bleibt Stückwerk. Es gibt kein Ostern ohne Karfreitag, keine Versöhnung ohne Leid. So ungeheuerlich diese Botschaft auch ist, so tröstlich ist sie.