Seit 2012 mit Michelin-Stern: Steffen Ruggaber in seinem Lamm Rosswag in Vaihingen/Enz. Foto: factum/Weise

Mit Bewertungen in Gourmetführern können Köche eine weit reichende Aufmerksamkeit bekommen. Doch welche Bewertungen zählen für die Spitzenköche am meisten?

Stuttgart - Manchmal muss man erst zurückblicken, um klarer nach vorne sehen zu können. Zuletzt stand die Zirbelstube vor fünf Jahren ganz oben auf unserer Liste. Damals jedoch mit Bernhard Diers als Küchenchef und in der Region Stuttgart bis heute unerreichten 18 Punkten im „Gault Millau“. Das kulinarische Programm war sieben Tage die Woche mittags und abends deutlich größer als jetzt an nur fünf Abenden, zudem war ein Umzug ins größere Schlossgartenrestaurant verordnet worden. Dies alles ging auf gesundheitliche Kosten von Diers, der irgendwann nicht mehr konnte. An sein Niveau reichte der Nachfolger Sebastian Prüßmann nicht heran.

Längst genießt man wieder in der schönen Zirbelstube, seit Anfang 2017 nun unter der Regie von Denis Feix, der zuvor in Bad Griesbach zwei Michelin-Sterne hatte. In seinem ersten Jahr in Stuttgart bescherte er dem Hotel am Schlossgarten immerhin 17 Punkte im „Gault Millau“. Somit hat er unseren Vorjahresaufsteiger Nico Burkhardt von der Spitzenposition verdrängt: Das Gourmetrestaurant Olivo im Hotel Graf Zeppelin wird von den sechs abgebildeten Führern für 2018 exakt so bewertet wie in den 2017er Ausgaben.

Burgrestaurant Staufeneck erneut abgewertet

Es kann den Topadressen aber auch anders ergehen. Einige Jahre war das Burgrestaurant Staufeneck die Nummer eins in der Region, doch es wurde vom „Gault Millau“ von einst 17 (bis zur Ausgabe 2016) auf 16 (2017) und nun sogar 15 Punkte abgewertet. Was sagt Rolf Straubinger dazu, der nicht nur Küchenchef, sondern auch Gesellschafter der Burg Staufeneck samt Hotel ist? „Eine gewisse Challenge ist schon okay, aber das schmerzt – auch meine vielen jungen Leute im Team.“

Straubinger ist mit seinen 55 Jahren ein alter Hase im Gourmetgeschäft: Seit 26 Jahren hat er den Michelin-Stern, und am liebsten würde er sich „freimachen von solchen Kommentaren“ wie im „Gault Millau“, von diesen „Momentaufnahmen“ und „persönlichen Empfindungen“. Aber: „Man muss das halt akzeptieren“, sagt er mit unterdrücktem Ärger. „Ich habe nicht schlechter eingekauft, und ich habe nicht schlechter gekocht als die Jahre zuvor.“

Viele Gäste kommen zwei, drei Mal im Monat

Die in der Kritik monierten langen Wartezeiten erklärt er mit dem Unterschied zwischen 70 bis 80 Couverts an guten Tagen und nur 20 Gästen, die in anderen Sternerestaurants versorgt werden müssten. „Wir hatten das mit Abstand beste Jahr, seitdem ich auf der Burg bin“, so Straubinger über den wirtschaftlichen Erfolg nach Investitionen in Millionenhöhe. Und er sei stolz auf die vielen Stammgäste, die zwei, drei Mal im Monat kämen, auch wenn sie nur zwei, drei Gerichte bestellten anstatt eines Sieben-Gänge-Menüs.

Im Lamm Rosswag, das aus Stuttgarter Sicht fast genauso weit draußen liegt wie die Burg Staufeneck, ist das ganz ähnlich. Küchenchef Steffen Ruggaber, 41, der nach Wanderjahren (unter anderem als Chef-Saucier bei Dreisternekoch Dieter Müller) 2002 den elterlichen Betrieb übernommen hat und seit 2012 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, sagt: „Wir haben bis zu 95 Prozent Stammgäste, die in regelmäßigen Abständen zu uns kommen“. Und das nicht erst, seit der Stern da sei.

Weniger Personal, weniger Öffnungstage

Dennoch musste er nach der Modernisierung das Konzept anpassen – auch weil er wie Straubinger schwierige Zeiten erlebt. Es werde immer problematischer, Nachwuchs zu finden, „gute Leute, die mit Überzeugung dabei sind und bleiben“. Ruggabers Brigade sei 2017 „zusammengeschrumpft“ – und mit ihr die Öffnungszeiten. Drei Ruhetage hat das Gourmetrestaurant im Hotel Lamm Rosswag. Aber man mache ohnehin „keine Küche für jeden Tag“ und müsse „sich den Bedürfnissen anpassen“, was auch heißt: „Wir verarbeiten nicht nur Luxusprodukte – die Hauptsache ist handwerklich gut Gekochtes.“

Doch Stammgäste hin, Hotelgäste her – „man braucht die Führer, um auf sich aufmerksam zu machen“. Erscheinen zum Jahresende die neuen Ausgaben, sei das wie eine „Zeugnisvergabe, die man aber nicht überbewerten sollte“. Natürlich freue er sich über positives Feedback, „wenn ich weiß, dass seriös gearbeitet wird“. Aber die wichtigsten Kritiker seien nun mal die Gäste. Deswegen nehme – das sieht Ruggaber ähnlich wie Straubinger – die Bedeutung von Online-Bewertungsportalen wie Tripadvisor zu, mit allem Wohl und Wehe.

Den Köchen geht es auch um die Ehre

Für viele Spitzenköche geht es aber schon auch um die Ehre und den Wettbewerb, die „Challenge“ eben. Und hier kommen die Rankings ins Spiel, etwa unsere Liste oder die bundesweite Gerolsteiner Restaurant-Bestenliste, für die sieben Führer (die sechs abgebildeten plus der „Varta-Führer“) nach einem Schlüssel ausgewertet werden, der deren Bedeutung berücksichtigt. Denn auch die Bewertungen werden bewertet. Dazu befragt das Fachmagazin „Sternklasse“ alljährlich mehr als 5000 Gastronomen nach Kompetenz und Glaubwürdigkeit der Gourmetführer. Hoch im Ansehen sind nur der „Guide Michelin“, der mit 89 Punkten von den Profis als „sehr gut“ eingestuft wird, sowie der „Gusto“ mit 75 Punkten und einem „gut“. Alle anderen erreichen bestenfalls ein „befriedigend“ wie etwa „Gault Millau“ (60 Punkte) und „Feinschmecker“ (59 Punkte), Tendenz kontinuierlich fallend.

Insofern ist manches in unserer Liste, die nach den Schließungen von Landgasthof am Königsweg in Ohmden und Kerzenstube in Backnang zwei Sterne-Adressen weniger zu verzeichnen hat, relativ zu sehen; nicht nur die 15 Punkte für das Burgrestaurant Staufeneck, sondern auch die Abwertung von Claudio Urru im 5 und die völlig aus der Reihe fallende „Gault Millau“-Bewertung für Marco Akuzun im Top Air. Wie sagt Rolf Straubinger? „Wenn’s in allen Führern so stehen würde, dann hätten wir wirklich etwas falsch gemacht.“