Regisseur Piotr J. Lewandowski. Foto: Carsten Strauch

Im TV-Film "Meine Freundin Volker" von Piotr J. Lewandowski glänzt "Tatort"-Star Axel Milberg als Dragqueen. "Seine Verwandlung war wirklich beeindruckend", schwärmt der Regisseur.

Am 17. Mai - dem internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie - überrascht das Erste mit einem besonderen TV-Film. "Tatort"-Star Axel Milberg (66) brilliert in "Meine Freundin Volker" (20:15 Uhr) als Dragqueen. "Der Tag ist ein perfektes Datum, um ein Statement für gesellschaftliche Vielfalt abzugeben und darauf aufmerksam zu machen", freut sich der Regisseur des Films Piotr J. Lewandowski (47). Der Streifen wurde mit großer Unterstützung aus der Drag- und der LGBTQ*-Szene realisiert.

Milberg ist es darin kaum wiederzuerkennen. "Als die Perücke und das Kostüm die Transformation vollendeten, war ich beinahe sprachlos", erinnert sich Lewandowski und spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news unter anderem über die Entscheidung, die Rolle mit einem heterosexuellen Schauspieler zu besetzen. "Wir wollten die beste Person für die Rolle, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung." Auch über die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die bei der Darstellung von LGBTQ*-Themen in Filmen zu berücksichtigen sind, klärt der Regisseur auf.

Ihr neuer Film "Meine Freundin Volker" wird am internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie ausgestrahlt - ein perfektes Datum für ein Statement für gesellschaftliche Vielfalt?

Piotr J. Lewandowski: Absolut. Der internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie ist sorgfältig dafür ausgewählt und definitiv ein perfektes Datum, um ein Statement für gesellschaftliche Vielfalt abzugeben und darauf aufmerksam zu machen. "Meine Freundin Volker" beinhaltet als Komödie zwar positive und humorvolle Aspekte, gleichzeitig werden aber tiefe und komplexe Probleme, die mit dem Thema in unserer Gesellschaft verbunden und für die LGBTQ+ Gemeinschaft von großer Bedeutung sind, nicht ausgelassen. Als Regisseur ist es mir immer ein Anliegen, auf wichtige gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam zu machen und durch Filmkunst und Kultur zum Dialog beizutragen. Auch wenn die Themen manchmal nicht einfach sind, ist es dennoch sehr wichtig darüber zu sprechen. Das Drehbuchduo Julia Penner und Andreas Wrosch, dessen wunderbares Buch ich verfilmen durfte, hat den Kern der Probleme sehr gut getroffen und mit unglaublicher Wärme und brillanten Dialogen ausbalanciert. Es war mir eine Freude, dieses Werk zum Leben zu erwecken.

Im Zentrum des Films steht ein herausragender Axel Milberg als Dragqueen Vivian Bernaise. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als sie Milberg zum ersten Mal in voller Montur gesehen haben? Haben Sie ihn gleich erkannt, was ging Ihnen durch den Kopf?

Lewandowski: Als Regisseur begleitet man sorgfältig alle Stufen der Entstehung der Hauptfigur. Und doch, nachdem die wunderbaren Hände unseres Make-up-Zauberers Oliver Hildebrandt Vivian zum Leben erweckt hatten und das Licht der Welt sie zum ersten Mal erblickte, war ich absolut begeistert und ebenso verzaubert. Ich erinnere mich noch daran, wie beeindruckt ich von Axels Einsatz und seiner Hingabe für die Rolle war. Es war wirklich erstaunlich zu sehen, wie er in die Figur von Vivian Bernaise eintauchte und diese mit Leben füllte. Als die Perücke und das Kostüm die Transformation vollendeten, war ich beinahe sprachlos. Seine Verwandlung war wirklich beeindruckend. Und ich hatte das Gefühl, eine komplett neue Person vor mir zu haben. Es war ein wunderbarer Moment, der mich sofort in die Welt des Films eintauchen ließ.

Vor allem in den letzten Jahren kommt immer wieder die Frage auf: Sollten heterosexuelle Schauspielerinnen und Schauspieler queere Charaktere spielen - und spielen dürfen? Wie sehen Sie das, warum wurde die Rolle nicht mit einer queeren Person besetzt?

Lewandowski: Die Frage der Besetzung queerer Rollen mit heterosexuellen Schauspielerinnen und Schauspieler ist eine komplexe und kontroverse Debatte, die gerade angefangen hat und ich bin bereit den Dialog zu führen. Ich finde es wichtig und richtig, queere Charaktere von queeren Schauspielerinnen und Schauspielern spielen zu lassen, um authentische und vielschichtige Darstellungen zu ermöglichen. Gleichzeitig finde ich es wichtig, durch eine Besetzung neue Möglichkeiten zu eröffnen und nicht neue Grenzen zu setzen, in dem man den möglichen Personenkreis für eine Besetzung von vornherein einschränkt. Wir wollten die beste Person für die Rolle, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Zudem war es uns ein Anliegen, dass auch heterosexuelle Schauspielerinnen und Schauspieler die Möglichkeit haben, queere Charaktere zu spielen und somit zur Sichtbarkeit und Akzeptanz der LGBTQ+-Community beizutragen. Es ist eine komplexe Debatte, aber es ist wichtig, sie offen und respektvoll zu führen, um eine positive Veränderung zu erreichen.

Der Film wurde mit großer Unterstützung aus der Drag- und der LGBTQ*-Szene realisiert, wie sah die Zusammenarbeit aus?

Lewandowski: Die Zusammenarbeit mit der Drag- und der LGBTQ+ Community war entscheidend für die Entstehung des Films. Wir haben versucht, die Community bereits im Entstehungsprozess des Films einzubeziehen, angefangen mit dem wunderbaren Drehbuch, um eine authentische und respektvolle Darstellung zu ermöglichen. Es war eine wunderbare Erfahrung, von so vielen talentierten Menschen zu lernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sowohl hinter der Kamera als auch vor der Kamera: Tante Gladice, Electra Pain, Dyane Prozak, Funny Fantastic, Kelly Heelton, Samantha Al Khalifa, Nikitasbeach, oder Rachel Invention, um nur ein paar Namen zu erwähnen.

Haben Sie eine besondere Lieblingsszene im Film?

Lewandowski: Viele Szenen in der Donauwelle, dem Club in dem Vivian Bernaise als Star auftritt, die tragikomischen Szenen zwischen Axel Milberg und Carsten Strauch mag ich sehr, auch die Lipsincbattle, die leider aus zeitlichen Gründen gekürzt werden mussten, aber dennoch spektakuläre Performances einiger Queens beinhalten, sind etwas Besonderes. Es sind Szenen, die wunderbare Beispiele für die Freiheit und Kreativität der Drag-Kultur darstellen.

Axel Milberg verriet bereits, dass er sich zur Vorbereitung des Films vor allem die amerikanische TV-Show "RuPaul's Drag Race" angeschaut habe. Wie sah Ihre Vorbereitung aus?

Lewandowski: Für meine Vorbereitung habe ich mich intensiv mit der Geschichte der Drag-Kultur auseinandergesetzt und mit verschiedenen Vertreterinnen und Vertreter der Community gesprochen, um ihre Perspektiven und Erfahrungen zu verstehen. Es war eine unglaublich bereichernde Erfahrung und ich bin dankbar für die vielen wertvollen Begegnungen.

Warum hat die Dragqueen-Szene in den letzten Jahren so an Popularität gewonnen?

Lewandowski: "If you don't love yourself, how in the hell you gonna love somebody else?" sagt RuPaul in seiner Show und er ist mit Sicherheit einer der Hauptverantwortlichen, die zur Popularität der Dragqueen-Szene geführt haben. Durch den Erfolg seines Formats wurde eine einzigartige und kreative Form der Selbstexpression und Performance vielen Menschen näher gebracht. Die Drag-Szene bietet Vielen eine Plattform, um ihre Individualität und Kreativität auszudrücken, frei zu sein, keine Angst zu haben, zu sich zu stehen und die eigene Freiheit zu verteidigen. Die Dragqueen-Szene ist eine kreative und subversive Antwort auf gesellschaftliche Normen und Erwartungen und ein ausdrucksstarkes Statement dafür, sich nicht verbiegen zu lassen. Drag ist eine Form des künstlerischen Ausdrucks, die dazu beitragen kann, Stereotypen zu brechen.

Bereits in Ihrem Spielfilmdebüt "Jonathan" ging es um Homosexualität. Welche Herausforderungen und Schwierigkeiten sind bei der Darstellung von LGBTQ*-Themen im Film zu berücksichtigen?

Lewandowski: Die Darstellung von LGBTQ+-Themen im Film erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, Empathie und Verständnis für die Erfahrungen und Perspektiven der Community. Um die Komplexität, Nuancen von LGBTQ+-Erfahrungen und Identitäten angemessen darzustellen. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, Stereotypen und Klischees zu vermeiden und vielfältige, tiefe, authentische Charaktere zu erzählen. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass die LGBTQ+-Community eine sehr vielfältige Gruppe ist und es nicht die eine "richtige" Art gibt, queere Charaktere zu repräsentieren. Es ist aber in Deutschland nach wie vor eine große Herausforderung, eine Finanzierung und Unterstützung für LGBTQ+-Filme zu erhalten, da diese Themen oft als zu spezifisch oder "nischenhaft" angesehen werden. Je individueller, besonderer oder kontroverser ein Thema, desto komplizierter und herausfordernder ist der Weg eines Films. Und doch finde ich es enorm wichtig, dass diese Filme auch von einem breiteren Publikum gesehen werden, denn die Themen sind meistens universell und wichtig. Sie berühren alle Menschen, das habe ich oft gemerkt. Auch die Auswirkungen auf die gesellschaftliche Wahrnehmung und Akzeptanz von LGBTQ+-Menschen ist mir wichtig.

In den letzten Jahren wurden immer mehr Filme mit queeren Themen gedreht - den echten Durchbruch gibt es aber irgendwie nicht - woran liegt das?

Lewandowski: Obwohl es in den letzten Jahren Fortschritte bei der Darstellung von queeren Themen im Film gegeben hat, gibt es immer noch Hindernisse und Vorurteile, die den Erfolg solcher Filme einschränken können. Einerseits können viele Menschen sich nicht mit queeren Themen identifizieren oder fühlen sich unwohl, wenn sie damit konfrontiert werden. Oft werden viele Themen oder Charaktere sehr klischeehaft erzählt, nur um queere Charaktere zu zeigen. Andererseits werden queere Filme oft nur in begrenzter Anzahl in den großen Kinos gezeigt und haben nicht immer das Budget für eine umfassende Werbekampagne, die das Publikum erreicht. Es bedarf mehr Sichtbarkeit und Unterstützung für queere Filme und ihren Schöpferinnen und Schöpfer, damit sie das Publikum erreichen können, das sie verdienen. Wir brauchen mehr Diversität und vor allem mehr Mut seitens der Sender, Institutionen und Förderer, um Inklusion in der Filmindustrie sicherzustellen. Es gibt immer noch viele Hindernisse, insbesondere wenn man nicht in bestimmten Schubladen erzählen möchte. Es bestehen immer noch Vorurteile und Diskriminierung gegenüber LGBTQ+-Themen in der Filmindustrie selbst, was dazu führen kann, dass diese Filme nicht die gleichen Ressourcen und Chancen erhalten wie andere Filme.

Welches Projekt steht als Nächstes bei Ihnen an?

Lewandowski: Ich arbeite derzeit an einem äußerst interessanten Filmprojekt, dessen Drehbuch international bereits viele Preise erhalten hat. Leider gestaltet sich die Umsetzung eines Arthaus-Projekts heutzutage als zunehmend schwierig, trotz der positiven Resonanz auf das Drehbuch. Es besteht eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit, jedoch fehlt es an Geldgebern.