Im Renninger Gemeinderat sorgt die Grundsteuerreform für heftige Diskussionen. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa/Jens Büttner

In Renningen beträgt künftig die Grundsteuer für Privathäuser und Gewerbe 190 Punkte, für die Landwirtschaft 660. Das finden nicht alle im Gemeinderat gut.

Das Thema Grundsteuerreform bewegt die Gemüter, auch im Renninger Gemeinderat. Die auf eine Gesetzesänderung zurückgehende Reform hat für einige Verunsicherung gesorgt. Das zeigt sich auch daran, dass sich im Renninger Bürgersaal etwa 50 Bürgerinnen und Bürger eingefunden haben, um den Ausführungen der Verwaltung zu folgen.

 

„Es wird bei der neuen Regelung einige Gewinner und einige Verlierer geben“, betont Thorsten Wacker vom Fachbereich Finanzen der Stadt Renningen. Der Teamleiter aus dem Bereich Steuern erklärt, wie es zu der Reform gekommen ist.

Nachdem das Bundesverfassungsgesetz das alte Modell für verfassungswidrig erklärt hat, hat Baden-Württemberg ein eigenes Grundsteuergesetz verabschiedet, das sich nach dem Bodenwertmodell bemisst. Nun ist nur noch die Grundstücksgröße ist bei der Bewertung entscheidend. Die neue Reform löst die bisherige Einheitsbewertung mit Beginn des kommenden Jahres ab.

Da die Grundsteuerreform aufkommensneutral sein soll, also keine zusätzlichen Kosten verursachen darf, müssen die Kommunen die Hebesätze entsprechend anpassen. Doch trotz der vorgeschriebenen Aufkommensneutralität kommt es zu teils erheblichen Belastungsverschiebungen, die auch von Gemeinde zu Gemeinde stark unterschiedlich ausfallen werden. Grob lässt sich sagen, dass Ein- und Zweifamilienhäuser eher belastet und Mehrfamilienhäuser tendenziell entlastet werden.

Keine Grundsteuer C für unbebaute Flächen

Der Hebesatz ist das Instrument des Gemeinderats zur Steuerung des Grundsteueraufkommens insgesamt. In Renningen wird dieser bei der Grundsteuer B, die bei privaten und gewerblichen Grundstücken anfällt, bei 190 Prozentpunkten liegen. Die Grundsteuer A (für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) wird auf 660 Prozentpunkten festgelegt. Von der Einführung einer Grundsteuer C, die für unbebaute „baureife“ Grundstücke anfallen könnte, sieht das Renninger Rathaus erst einmal ab.

Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg betrachtet die Grundsteuer C eher kritisch und empfiehlt wegen rechtlicher Unsicherheiten diese zunächst nicht einzuführen. Dies wurde mit nur zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung beschlossen.

„Staatsversagen auf höchstem Niveau“

Das klingt nach einem sehr deutlichen Votum. Doch im Renninger Gemeinderat wurde das Thema kontrovers diskutiert. Rainer Hackh von den Freien Wählern spricht von großen Irritationen bei den Bürgern, die bereits Bescheide erhalten haben und plötzlich mehr zahlen müssen. Er plädiert dafür, anhand von konkreten Beispielen die neue Reform zu veranschaulichen, „denn sonst beziehen wir Gemeinderäte Prügel auf der Straße“. Aus seiner Sicht habe die Landesregierung das verbockt, und in anderen Bundesländern funktioniere es besser. Dem widerspricht allerdings Bürgermeister Wolfgang Faißt und betont: „Jedes andere Verfahren ist deutlich komplizierter. Es zählt nun ausschließlich Grund und Boden und nicht das Gebäude.“

Andreas Kindler von der CDU-Fraktion findet deutliche Worte und spricht von einem „Staatsversagen auf höchstem Niveau“. Seit fünf, sechs Jahren wisse man, dass diese Reform anstehe, und die Gemeinderäte würden jetzt in sämtlichen Kommunen mit Druck darauf hingewiesen. „Wir als Stadt müssen jetzt reagieren. Die alte Regelung war ungerecht, aber die neue ist es auch. Die Vorgehensweise von Land und Bund finde ich unmöglich. Es ist ein gigantisches Bürokratiemonster, das mehr Geld kostet, als wieder reinkommt“, wettert Kindler. Das könne er nicht mittragen.

„Einfamilienhäuser verschwinden“

Doch es gibt auch andere Meinungen: Melanie Lederer von den Freien Wählern plädiert für den Vorschlag: „Die wirkliche Entscheidung trifft nicht die Stadt Renningen, sondern die ist vorbestimmt durch die Gerichtsentscheidung und das neue Berechnungsverfahren. Den Grundstückseigentümern bleibt im Zweifel das individuelle Widerspruchsrecht. Mehr Handlungsspielraum sehen wir nicht.“

Wolfgang Steudle (CDU) fühlt sich genau hierin in seiner Funktion als Gemeinderat eingeschränkt: „Es ist ärgerlich, nicht eingreifen zu können. Ich will hier Entscheidungen treffen für die Bürger und nicht einfach zustimmen. Wir brauchen uns nicht wundern, wenn künftig Einfamilienhäuser aus der Stadt verschwinden und nur noch größere Gebäude entstehen. Genau das wollen wir doch nicht. Auch Grünflächen werden künftig dann bebaut werden.“

Thomas Mauch (SPD) gibt zu bedenken, dass die Stadt lediglich am Ende der Nahrungskette stehe. „Wir als Stadt können durch den Hebesatz nur sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Summe nicht stärker belastet werden als bisher“, erläutert er. „Und das tut der Verwaltungsvorschlag.“ Jochen Breutner-Menschick von den Grünen empört sich darüber, dass die „eigentlich staatstragende CDU“ von einem Staatsversagen spricht: „Wir haben doch immer nur den Hebesatz festgelegt“, mahnt er. „Es hat sich eigentlich überhaupt nichts geändert. Die Berechnungsgrundlage hat sich geändert, dafür waren wir aber noch nie zuständig. Insgesamt haben wir jetzt ein einfacheres System.“ Auch seine Parteikollegin Monika Breitweg betont: „Wer jetzt mehr zahlen muss, ärgert sich, das ist absolut verständlich. Aber unser Bundesverfassungsgericht ist politisch unabhängig, daher verbitte ich mir, dass man es hier so angreift. Aber wenn man sieht, was man für eine Zweizimmerwohnung bislang an Grundsteuer bezahlt hat und was jemand mit großem Grundstück gezahlt hat, dann hat jetzt einfach eine Verschiebung stattgefunden.“

Einig sind sich alle Fraktionen darin, dass weiter Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden muss, um den Bürgerinnen und Bürgern die neue Reform verständlich zu machen.