Der Rapper Panik Panzer am Donnerstag in Stuttgart im LKA Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Die Antilopen Gang war zu Gast im LKA mit einer Lehrstunde in Sachen Ironie.

Stuttgart - „Der Ruf ist ruiniert“ – so heißt ein neues Stück der Antilopen Gang. Die erschien vor gut zehn Jahren auf der Deutschrap-Szene und brach gleich mit den Regeln: zwar landete die Gruppe mit „Fick die Uni“ im Netz einen zotigen Über-Hit, sie hielt sich aber fern von der Hiphop-Etikette, die vorschreibt, jeder Rapper habe seine Sexfantasien reimend in den Himmel zu stapeln. Auf dem jüngsten Album der Gang findet sich gar mit „Bang Bang“ ein Song, der jede Protzerei sehr mürbe demontiert: Die Vokalisten Panik Panzer, Danger Dan und Koljah erzählen von ihrem jeweils ersten Mal – und das ist nichts, womit sich wirklich angeben ließe.

Am Donnerstag im LKA bringen sie diesen Song nicht – aber „Keine Party“, ein schlechtgelauntes Geburtstagslied. Erst kurz ist das jüngste Album „Abbruch Abbruch“ auf dem Markt – diesen Text jedoch kennen die rund 1100 Fans im LKA längst auswendig, und aus den kränkelnden Zeilen, die da einer zum E-Piano rappt, wird eine Hymne: „Einmal im Jahr, wenn dieser Tag kommt, behandeln mich die Leute so, als wär‘ ich kein Arschloch – Happy Birthday.“

Auf der Bühne kommt die Ironie zum Tragen

„Abbruch Abbruch“ klingt zunächst einmal sehr nach Pop klingt und mit sauber gesetzten Stimmen, gelegentlich zu hübschen Gesangspassagen, und ernsten und bekenntnishaften Texten fast schon Angst macht: Soll Hiphop hier zur Therapiesitzung werden? Mitnichten: Auf der Bühne kommt die Ironie, die bittere Energie der Antilopen Gang erst zum Tragen. Hinter der Gang steht ein großer, schwarzer Fächer, hinter dem erst eine komplette Live-Band enthüllt wird, die auch Punk kann. Harte Beats und harte Gitarren wechseln sich ab – und eigentlich überrascht das nicht bei Rappern, die bei JKP unter Vertrag sind, dem Label der Toten Hosen, und ein Album haben, das fast so heißt wie ein Klassiker von Fehlfarben. Danger Dan trägt ein T-Shirt der Flensburger Punk-Band Turbostaat.

Zu Beginn kommen die Drei nach und nach auf die Bühne, und jedes Mal ist der Jubel groß. Ihr erstes Stück heißt „2013“ und erinnert an NMZS, Jakob Wich, den einstmals Vierten im Bunde, der sich im nämlichen Jahr depressiv das Leben nahm – „Nach seinem Tod sind wir in Schockstarre verfall’n“ – aber: „Keine Nostalgie, wir hab’n zuviel Scheiß erlebt.“

Aus dem Hiphop- wird ein Punkrock-Konzert

Im Stück „Wein zu Wasser“ rappt die Antilopen Gang auch mal auf Latein („Nostra maxima culpa“) zitiert Nietzsche und anderes – ein Stück, das ebenso wie „Smauldo“ einer linksliberalen bürgerlichen Mitte, Kollegen und Fans die Rechnung ausstellt: „Du hörst ja sonst keinen Hiphop, aber du magst Antilopen Gang – Samma!“ Dass diese Gang selbst es so lau nicht mag, ist längst schon klar. „Deutschrap muss sterben, damit wir leben können!“, rufen sie, rufen ihre Fans mit ihnen – und zitieren damit die deutsche Punk-Band Slime herbei, bei der die Zeile doch ganz anders lautete.

Je später der Abend, desto entschiedener verschiebt sich das Konzert in Richtung Punk. Die Antilopen Gang sichtet das Dorf als „Zentrum des Bösen“, geht gallig und gemein an gegen das Idyll: „Die Barbaren hausen hinter Fachwerkfassaden.“ Ihre Befindlichkeiten haben die Antilopen früh schon abgearbeitet – nun schimpfen sie laut verschwitzt, gut gelaunt und aggressiv: „Beate Zschäpe hört U2“. Sie erinnern sich an ihre frühen Jahre, grüßen noch einmal die Universität und unterbreiten zynische Lösungsvorschläge: „Oh, ich glaube fest daran, dass uns Pizza retten kann!“