Immer wieder üben sich Kunstmaler am Esslinger Rathausplatz. Mit dabei sind auch immer die beiden uralten Apothekengebäude Foto: Horst Rudel

Ein halbes Jahrtausend lang haben die Pharmazeutiker am Rathausplatz in Esslingen die Leiden der Menschen gelindert. Am Tag des Offenen Denkmals, am 10. September, feiert die älteste Apotheke Württembergs ihren 500. Geburtstag.

Esslingen - Bis zum 1. September sollte Christoph Mauz eigentlich seine Rats-Apotheke schließen – wenn er sie nicht barrierefrei umbaut. Das aber sei nicht so einfach, sagt der streitbare Mann, weil der Denkmalschutz eher gegen Umbauten sei. Aber Mauz ist sich sicher, dass er das Problem lösen kann.

Es wäre nicht das einzige Problem in den vergangenen 500 Jahren, dem die älteste Apotheke Württembergs gegenübergestanden wäre. Hunger, Kriege, Stadtbrände gingen über das Haus am Rathausplatz hinweg, ohne dass die Apotheker darin aufgegeben hätten.

Die Stelle lieber einem Esslinger geben

Am 1. April 1517 schrieb der Rat der Stadt Esslingen die Stelle eines Apothekers aus, und es kamen Bewerbungen aus Wien, Pressburg und Konstanz. Schon damals jedoch mag sich der Rat gedacht haben, man gibt die Stelle besser einem Esslinger, und so bekam den Zuschlag Philipp Horn, Spross einer hiesigen Apothekerfamilie. Seit 1517 kann man die Namen der Apotheker verfolgen, die meist durch die Heirat an das begehrte Geschäft kamen.

Zwei Familien ragen in der Geschichte des Hauses heraus, das ist zum einen die Salzmann’sche Familie und zum anderen die Familie Mauz, die das Unternehmen heute noch betreibt. Im 19.  Jahrhundert gehörte das Haus der Familie Salzmann, deren bekanntester Sohn, Valentin Salzmann, denSchwäbischen Albvereinmitgründete und der Apotheke ihren Namen gab: Bis 1953 hieß das Haus auch noch Salzmann’sche Apotheke. Die Mauz’sche Apothekerdynastie in Esslingen begründete Eberhard Mauz, einer der wenigen Überlebenden des napoleonischen Russlandfeldzugs. Er ließ sich als Arzt am Esslinger Marktplatz nieder und schickte seinen Sohn Gottlieb Mauz als Lehrbuben in die Apotheke um die Ecke. 1857 übernahm Gottlieb das Unternehmen, das seither im Familienbesitz ist.

Gottlieb Mauz dachte groß

Gottlieb war ein Mann, der groß dachte. Er brachte nicht nur die Apotheke nach vorne, er hatte auch gute Kontakte zum württembergischen Hof und vor allem zur Königin Olga. Mit ihrer Hilfe richtete er in Esslingen neben der Rats-Apotheke die „homöopathische Central Apotheke“ ein, die eines der wenigen Unternehmen wurde, die das Königreich mit homöopathischen Medikamenten versorgte. Besonders gut arbeitete die Apotheke mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus zusammen, das von dem Industriemagnaten gegründet wurde, um die alternative Medizin voranzubringen.

„Heutzutage hat fast jede Apotheke eine homöopathische Abteilung“, sagt Christoph Mauz, dessen uralte Homöopathie wie eine Fliege im Bernstein erhalten ist und jederzeit besichtigt werden kann. Das große Apothekensterben in den 20er Jahren überlebte die Apotheke durch die eigene Produktion von Arznei auf pflanzlicher Basis. Als die Produktion immer größer wurde, wurde sie nach Zell verlegt, wo unter dem Namen Robugen noch immer Medikamente wie etwa das Kreislaufmittel Korodin hergestellt werden.

Auch Christoph Mauz übt sich als echter Pharmazeut in der Kunst der Arzneiherstellung. „Die meisten Apotheker sind ja nur noch Schubladenzieher“, sagt er. Natürlich hat auch er seine Schubladen, aber bei ihm sind sie 100 Jahre alt, mindestens. Mauz denkt noch nicht an den Ruhestand, denn er hofft, dass eines seiner Enkelkinder den Betrieb einmal übernimmt. So lange will er noch am Apothekentresen stehen.

Jubiläum: Den 500. Geburtstag feiert die Apotheke am Tag des offenen Denkmals, 10. September, mit Hausführungen.