Im Zentrum der Macht angekommen: Robin Wright als Präsidentin Underwood Foto: Netflix

Der Karrieresturz von Kevin Spacey erweist sich als Glück für „House of Cards“. In der sechsten und letzten Staffel triumphiert Robin Wright nun als von Männern gehasste Präsidentin.

Washington - Die ganze Welt hat diese Frau unterschätzt. Claire Underwood war zu Beginn der Netflix-Serie „House of Cards“ das, was jeder aufstiegswillige amerikanische Politiker noch immer braucht: die propere Frau an seiner Seite. Egal, wie intelligent, selbstbewusst, hart und manipulativ die von Robin Wright wunderbar gespielte Claire auch auftrat, sie wurde zunächst nur als Folie für und Helferin von Frank Underwood wahrgenommen, dem Mann, der Freund und Feind als Treppensteine auf dem Weg nach oben nahm.

Eine kleine Entschuldigung dafür gab es: Kevin Spacey besaß als Kinostar weit höheren Marktwert als Wright. Dass Netflix, der gerade noch als Gernegroß mit zweifelhaften Ambitionen und höchst unsicherer Zukunft gesehene Streamingdienst, bei seiner ersten großen Eigenproduktion Spacey als Underwood verpflichten konnte, das war wie ein Komet am Himmel. Da wurde eine Zeitenwende für die Bewegtbildwelt angekündigt.

Endlich an der Macht

Zu Beginn der sechsten, in Deutschland aufgrund alter Verträge zuerst bei Sky zu sehenden Staffel von „House of Cards“ hat das Spiegelbild der US-Politik aber etwas, wozu sich die Realität noch nicht durchringen konnte: Eine Frau im Oval Office. Claire Underwood ist jetzt US-Präsidentin. Und ihr Mann lauert nicht im Schatten auf eine neue Chance, er liegt, wunderbar symbolträchtig, unter der Erde.

Die ganze erste Folge besteht aus wunderbaren Gelegenheiten für Underwood, zu demonstrieren, dass sie sich nicht als trauernde Witwe sieht, deren Handeln nur Stellvertreterhandeln ist. Nichts von dem, was Frank Underwood gesagt, getan, versprochen, eingefädelt hat, gilt mehr. Alles muss mit ihr neu verhandelt werden. In Washingtons Politiker- und Lobbysphäre brodelt es sofort, und die Serie macht klar, dass das über den normalen Machtkampf unter Männern und das Rangeln um Vorteile hinausgeht. Hier wird auch ein Geschlechterkrieg geführt.

Frischer Aufbruch

So war diese nun nur acht Folgen umfassende Staffel ursprünglich nicht geplant. Aber Spacey wurde eines der prominentesten Opfer der Metoo-Bewegung. Als sich im vergangenen Jahr Meldungen über seine sexuellen Übergriffe auf Männer auch am Set von „House of Cards“ überschlugen, zog Netflix die Notbremse. Die Autoren wurden beauftragt, Spacey ohne weiteren Auftritt herauszuschreiben.

Was als Machtbeweis der Metoo-Bewegung erschrecken darf – Spaceys Sturz kam ohne Gerichtsverfahren, ohne Beweiswürdigung, ohne psychiatrische Gutachter, ohne Erwägung mildernder Umstände und ohne Perspektive von Läuterung und Wiedergutmachung –, erweist sich für „House of Cards“ als Glück. Bei aller Unterhaltsamkeit hatte sich die einst ins Unbekannte führende Serie allmählich eingerichtet in ihren eigenen Mustern, Tricks und Spielchen. Mit Claire Underwood als Präsidentin und einer Robin Wright, die ihre Präsenz noch einmal steigert, bricht die bitterböse Mischung aus Thriller, Satire und Lehrstück noch einmal frisch auf.

Intolerante Dumpfheit

Hatte man sich zuvor ein halbwegs würdiges Ende für die langsam erschöpfte Serie gewünscht, mag man nun nicht glauben, dass sie tatsächlich enden soll. Im Netz allerdings kann man vorab Schmähkritiken und Widerwillensbekundungen lesen, die das noch übersteigen, was Underwood in der Fiktion auszuhalten hat. Ein Trollmob aus Jogginghosen-Machos und Nadelstreifen-Neandertalern pöbelt gegen die Ablösung eines Mannes durch eine Frau. Vor diesem Reservoir intoleranter Dumpfheit kann niemand mehr die Augen verschließen, es ist politisch virulent geworden.

Aber das liefert einen guten Grund mehr, zu „House of Cards“ zurückzukehren. Gute Quoten für die sechste Staffel werden das künftige Programm von Netflix beeinflussen, und interessante, unverklärte Frauenfiguren in Machtpositionen in starken Serien sind auch ein Beitrag zu einem wieder aufgeflammten Kulturkampf, der längst gewonnen schien.

Streaming: Alle acht Folgen der 6. Staffel sind bereits abrufbar bei Sky.