Mit diesem Slogan warb die Landesregierung aus Baden-Württemberg 2012 für sich. Foto: AP

Baden-Württemberger können alles außer Hochdeutsch? Von wegen: Nicht mal die eigenen Dialekte im Land versteht hier jeder. Wo heißen Kartoffeln Grombiera, und wo die Wurst Worschd? Tübinger Forscher wollen einen Überblick schaffen.

Tübingen - „Näschig“ nennen es Schwäbisch Haller, wenn jemand beim Essen besonders wählerisch ist. Nur einige Kilometer südlich in Oberrot (Landkreis Schwäbisch Hall) versteht mancher dabei nur Bahnhof, „Schlecket“ werden derlei Feinschmecker in der Mundart dort genannt. Ein Landkreis, mindestens zwei unterschiedliche Begriffe, die das gleiche meinen. Im Südwesten sei das absolut nicht unüblich, sagte am Donnerstag Hubert Klausmann vom Ludwig-Uhland-Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Auch die unterschiedlichen Aussprachen gleicher Wörter seien enorm.

Gemeinsam mit seinen Kollegen will Klausmann, der seit über 30 Jahren Mundarten im süddeutschen Raum erforscht, einen Überblick über den Dialekt-Dschungel in Baden-Württemberg schaffen. Wo im Ländle „I hau“, „I han“ oder „I hab“ - auf Hochdeutsch also ich habe - gesagt wird, soll künftig ein digitaler Sprachatlas im Internet zeigen. Mit einfachen Mausklicks auf einer Landkarte sollen Nutzer die jeweiligen Dialektversionen verschiedener Begriffe hören können, erläutert Klausmann.

Unterwegs in ganz Baden-Württemberg

Für ihr Projekt reisen die Sprachwissenschaftler durch ganz Baden-Württemberg, um Tonaufnahmen von gesprochenem Dialekt zu machen. Die virtuelle Sprachreise soll sich auf einer Baden-Württemberg-Karte abspielen, in der etwa 40 Ortschaften verzeichnet sind. So soll eine Auswahl von etwa 100 Wörtern in der ortsüblichen Lautung zu hören sein. Der sprechende Sprachatlas soll 2017 online gehen.

Interessierte bekommen so einen Überblick über die Vielfalt der Dialekte Baden-Württembergs. Nicht zuletzt erhoffen sich die Forscher auch Aufschluss über wichtige Fragen: Etwa wie es dazu kommt, dass sich mancherorts die Dialekte kaum, andernorts stark voneinander unterscheiden?

400 Interviews mit Einheimischen

Daneben richtet sich das Augenmerk der Tübinger Dialektforscher auch noch auf die Erarbeitung eines Sprachatlas in Papierform. Bereits seit 2009 untersuchen sie die Dialekte Nord-Baden-Württembergs, um die letzte Lücke in der Erforschung der süddeutschen Dialekte zu schließen.

Inzwischen sind mehr als 150 Ortschaften und über 400 Interviews mit Einheimischen geführt worden. Da für die Südhälfte die Untersuchungen 30 bis 40 Jahre alt sind, soll nun die gesamte Dialektlandschaft Baden-Württembergs überblickt werden können.