Echte schwäbische Markenzeichen: Äffle & Pferdle Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Trivialisierung der Mundart schreitet voran unaufhaltsam voran, findet Lokalchef Jan Sellner. Werbetextern empfiehlt er einen Kurs „Schwäbisch für Anfänger“.

Stuttgart - Die Zukunft des Dialekts ist schwarz wie ein Plakat, das in x-facher Ausfertigung in der Stadt aushängt. In weißen Lettern steht darauf: „New Yörkle“. Als jemand, der alles kann außer Hochdeutsch, muss man zweimal hinschauen, um ansatzweise zu verstehen, was damit gemeint sein könnte. Von der Aussprache ganz zu schweigen: „New Yörkle“ ist für einen Schwaben unsagbar. Unsäglich.

Beim genauen Hinschauen zeigt sich, dass es sich um Werbung für den Ableger des berühmten Kaufhauses Saks aus der New Yorker Fifth Avenue handelt. Dieses ist dabei, ein Netz von Outlet-Filialen über Deutschland auszubreiten. Eine dieser Filialen eröffnet demnächst in der Königstraße. Die Botschaft der Firma lautet: Ein Stück New York kommt nach Stuttgart – ein „New Yörkle“, wie die Texter unter Heranziehung und Verbiegung des schwäbischen Idioms plakatieren. Fehlt nur der Zusatz, dass sich Saks auch in Düsseldörfle und Heidelbergle niederlassen wird. Anderseits: Man spricht darüber. Message angekommen.

Immer mehr Pseudo-Schwäbisch

Allerdings muss das, worüber man spricht, ja nicht unwidersprochen bleiben. So sei der Hinweis erlaubt, dass „New Yörkle“ ein weiteres markantes Beispiel für die Trivialisierung der Mundart darstellt – ohne damit das neue Ladengeschäft gering zu schätzen, das die Königstraße sicherlich bereichert. Allgemein fällt auf: Werbeleute traktieren die Sprache mit Verkleinerungsformen in der Annahme, so das Regionalgefühl zu bedienen. Dieser Trend begegnet einem heute auf Schritt und Tritt. Man könnte ein ganzes Wörterbuch mit Pseudo-Schwäbisch erstellen – von „A“ wie Adele bis „T“ wie „Tschüssle“. Den Vogel – nicht das Vögele – schoss unlängst die Telekom ab: „Neu im Ländle: das Datenverbräuchle“. Sie können alles außer Schwäbisch.

Lassen wir die Menschen zu Wort kommen, die hier leben und einen Sinn für die schwäbische Sprache haben. Gertrud Heidinger zum Beispiel, eine Leserin. Sie schreibt treffend: „Bei uns wird aus einem Ofen ein Öfele, aus einem Loch ein Löchle, aus einem Stoff ein Stöffle, aus einem Herz ein Herzle. Bei manchen Wörtern hält uns aber eine ungewisse Scheu vor der Verkleinerung zurück. Wir sagen wohl statt Stück Stückle, aber niemals sagen wir statt Glück Glückle. Für den Schwaben Hermann Hesse bedeutet das Wort Glück etwas Schönes, etwas Gutes und Wünschenswertes. Ein Wort zum Lachen und Weinen, voller Urzauber und Sinnlichkeit. Es ist rund und vollkommen. Vielleicht scheuen wir deshalb vor der Verkleinerung zurück.“

Es gibt kein Ballettle im Park

Stuttgart, die Schwaben-Metropole, ist heute eine Stadt mit wohltuend internationaler Klangfarbe. Das Schwäbische samt seinen Ecken, Kanten und Liebenswürdigkeiten hat darin seinen festen Platz. Ortsunkundige Texter sollten daher wissen: Es gibt hier ein Billettle fürs Zügle, aber kein Ballettle im Park (ein Höhepunkt an diesem Wochenende!) Und so sehr die Stuttgarter ihre Feschtle lieben, vergnügen sie sich an diesem Samstag doch beim LichterFEST auf dem Killesberg – auch wenn das nur ein Bergle ist. Zum Einkaufen gehen die Einheimischen übrigens in die Stadt, niemals ins Stuttgärtle. Vorher shoppen sie in New York.

jan.sellner@stzn.de