Ein Heilerziehungspfleger soll sich in Kernen an zweien seiner Schützlinge vergangen haben. Foto: dpa

Ein Zeitarbeiter der Diakonie Stetten steht im Verdacht, zwei behinderte Bewohner sexuell missbraucht zu haben. Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird, ist allerdings fraglich.

Kernen - Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein 33 Jahre alter Heilerziehungspfleger soll in der Diakonie Stetten zwei seiner Schutzbefohlenen sexuell missbraucht haben. Jan Holzner, der Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, bestätigte einen entsprechenden Bericht der „Waiblinger Kreiszeitung“: seine Behörde habe die Ermittlungen aufgenommen.

Zwei junge Behinderte hatten sich bei der Diakonie Stetten unabhängig voneinander über Übergriffe des Mannes beschwert. Der erste Vorwurf gegen den Pfleger lautet auf schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes. Ein Junge im Alter von jetzt 14 Jahren soll zwischen dem Ende des Jahres 2015 und dem Herbst 2016 zum ersten Opfer des Mannes geworden sein. Das zweite ist eine heute 20 Jahre alte Frau. „In diesem Fall lautet der Verdacht auf sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses. Die Handlungen sollen etwas weniger schwerwiegend sein als beim ersten mutmaßlichen Opfer“, so Holzner. Der Staatsanwalt betont: „Wir sprechen von einem Anfangsverdacht, keinem dringenden Tatverdacht. Deswegen ist der Mann auch nicht in Haft.“

Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, ist noch nicht klar

Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Davon, ob die Staatsanwaltschaft die Aussagen der mutmaßlichen Opfer als glaubhaft einstuft, hängt es ab, ob gegen den Pfleger nun Anklage erhoben wird. Bei den geistig behinderten jungen Geschädigten, so Holzner, sei diese Einschätzung nicht gerade leicht.

Laut der Diakonie Stetten werden beide betroffenen Bewohner psychologisch betreut. In einer offiziellen Stellungnahme ist von einer „sexuellen Grenzverletzung“ eines ehemaligen Mitarbeiters die Rede. Der mutmaßliche Sextäter ist Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma, die im Auftrag der Diakonie Stetten Personal bereitgestellt hat. Der Mann arbeitet schon seit dem Herbst 2016 nicht mehr in der Diakonie. „Mit der Firma hatten wir bis dahin gute Erfahrungen gemacht“, beteuert Hannah Kaltarar, die Pressesprecherin der Diakonie Stetten. Wegen der mutmaßlichen Vorfälle arbeite die Diakonie Stetten jetzt nicht mehr mit der Firma zusammen.

Keine weiteren Opfer haben sich gemeldet

Eine weitere Konsequenz, die die Behinderteneinrichtung aus den Vorfällen zieht, sei, dass das Vorgehen bei der Einstellung von Zeitarbeitern geändert würde. Von nun an werde die Diakonie Stetten nur noch mit drei oder vier großen Zeitarbeitsfirmen Rahmenverträge abschließen und dann vor allem mit diesen Unternehmen kooperieren. Verzichten könne man auf fremdes Personal allerdings nicht, sagt Kaltarar: „Der Fachkräftemangel ist auch bei uns deutlich spürbar“. Auch der Zeitarbeiter, der sich an den Betreuten vergangen haben soll, sei eine ausgebildete Fachkraft gewesen.

Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hatte die Diakonie eine Hotline eingerichtet – „damit Angehörige sich an uns wenden können, wenn sie Fragen oder Sorgen haben“, so Kaltarar. Weitere Opfer von sexuellen Übergriffen hätten sich keine gemeldet.

Kaltarar betont, an der Diakonie Stetten gebe es verschiedene Maßnahmen, um sexuellen Übergriffen vorzubeugen. So seien bereits 24 Frauen mit Handicap zu Frauenbeauftragten ausgebildet worden. Im Kinder- und Jugendbereich lernten junge Bewohner auch anhand eines Ampelmodells, welche sexuellen und physischen Grenzen sie selbst, aber auch ihre Gegenüber einhalten sollten und wo sie sich im Fall der Fälle beschweren können. Die Einrichtung habe auch Richtlinien im Umgang mit sexuellen Übergriffen und wie Betroffene nach solchen Vorfällen betreut werden können.