Zu einer Wahlveranstaltung der besonderen Art hatte die Ludwig-Schlaich-Akademie der Diakonie Stetten geladen. Im Publikum: Unter anderem Besucher mit Handicap – daher war es das Ziel, Politik möglichst verständlich zu erklären.
Waiblingen - Klartext reden – allzu oft wird Politikern vorgeworfen, dass ihnen das schwerfalle. Für eine Veranstaltung der Ludwig-Schlaich-Akademie der Diakonie Stetten mussten die Vertreter von vier Parteien aber genau das tun, denn einige der 70 Zuhörer haben eine Behinderung. Um es ihnen zu erleichtern, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, sind Siegfried Lorek (CDU), Katrin Altpeter (SPD), Maximilian Lenk (Zweitkandidat FDP) sowie Willi Halder ( Grüne) gekommen.
Eine ähnliche Veranstaltung, erklärte die Diakonie-Stetten-Pressesprecherin Hannah Kaltarar, habe es schon zur Kommunalwahl gegeben. „Die Menschen mit Behinderung sollen erfahren, was eine Wahl ist und wie sie sich einbringen können“, sagte sie. Der Kommunikationschefin der Diakonie Stetten, Sibylle Kessel, oblag es, die Hintergründe zur Landtagswahl in „Leichter Sprache“ zu erklären. „Wir haben keinen König, sondern können alle fünf Jahre entscheiden, wen wir an der Regierung haben wollen“, erläuterte sie etwa.
Donnernder Applaus für Seniorin
Komplizierter wurde es bei den Statements der Politiker. Sich immer für alle verständlich auszudrücken, gelang nicht ganz, Wortungetüme wie „Legislaturperiode“, „Personalschlüssel“ oder „Breitbandinfrastruktur“ schienen oft unvermeidbar. Unterschiede zwischen ihren Positionen wurden nur selten deutlich. Dennoch gab das Event den Behinderten, ihren Angehörigen, aber auch Berufsschülern, Lehrlingen und Mitarbeitern der Diakonie Stetten die Möglichkeit, Fragen und Bitten vorzubringen. Eine Seniorin, die im Alexanderstift Rudersberg lebt, erntete donnernden Applaus für ihre leidenschaftlich vorgetragenen Rede. „Ich erlebe junge Menschen, die voller Freude einen Pflegeberuf lernen, doch sie werden bald von der Realität eingeholt“, erzählte sie. Ausländische Fachkräfte könnten den Personalmangel kaum decken: „Sie verstehen die alten Menschen mit ihrem Dialekt oft nicht.“ Die Dame berichtete, „betreutes Wohnen“ sei ein dehnbarer Begriff – und erntete von allen Kandidaten Zustimmung: Verbindliche Pflege-Standards müssten sein. Die Sozialministerin Altpeter, bei solchen Themen gewissermaßen mit Heimvorteil, betonte, neben der Bezahlung der Pflegekräfte müssten sich auch die Rahmenbedingungen verbessern.
Gerhard Pfeiffer, der Chef des Angehörigenbeirats der Diakonie Stetten, wollte eine Meinung zur Abschaffung von Behindertenwerkstätten hören – alle Kandidaten wollen die Einrichtungen erhalten, aber den Mitarbeitern die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Zum Abschluss der Talkrunde ergriff Thilo Gaiser, Geschäftsführer der Selbstbestimmungsinitiative (SBI), das Wort. Er hatte eine Bitte an die Kandidaten: „Es sind noch zwölf Tage bis zur Wahl. Bitte nutzen Sie auch die, um mit uns behinderten Menschen ins Gespräch zu kommen.“