Brustkrebsexpertin Prof. Dr. med. Nadia Harbeck gibt in ihrem neuen Buch einen Überblick zur Erkrankung und den Behandlungsmethoden. Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Die Diagnose stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor eine große Herausforderung. Brustkrebsexpertin Prof. Dr. med. Nadja Harbeck erklärt im Interview, was jetzt zu tun ist.

Nie war die Behandlung von Brustkrebs so erfolgreich wie heute. Das gilt für die auf die Brust begrenzte Erkrankung, aber auch für Brustkrebs, der schon in andere Organe gestreut hat. Wie das bei der einzelnen Patientin gelingen kann, dazu gibt Prof. Dr. med. Nadia Harbeck, eine der weltweit führenden Brustkrebsexpertinnen, in ihrem Buch "Brustkrebs - Alles, was jetzt wichtig ist. Diagnose, Behandlung und Begleitung für Betroffene und Angehörige" einen umfassenden Überblick.

Im Interview mit spot on news erklärt die Medizinerin, wann man mit einem Verdacht zum Arzt gehen sollte und wie die Erkrankung das Sexualleben beeinflussen kann.

Sie sagen, Brustkrebs ist heute zu etwa 80 Prozent heilbar. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Prof. Dr. med. Nadja Harbeck: Brustkrebs, der noch auf die Brust und Achsel-Lymphknoten beschränkt ist, ist heute zu ca. 80 Prozent heilbar. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Zur Therapie gehören immer die lokalen Behandlungsmaßnahmen an der Brust (Operation und ggf. Bestrahlung) sowie Medikamente (Antihormontherapie bei hormonempfindlichen Tumoren, zielgerichtete Therapien, Chemotherapie).

Mit rund 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Weshalb ist die weibliche Brust so anfällig?

Prof. Harbeck: Die weibliche Brust ist ein hormonempfindliches Organ, das im Laufe der Jahre hormonell und zyklusbedingt viele Veränderungen durchlebt. Alle Krebszellen entstehen aus gesunden Körperzellen, wobei es ein Fehler in der Erbsubstanz ist, der dazu führt, dass sich eine ursprünglich gesunde Zelle unablässig teilt und letztlich allen Kontrollinstanzen des Körpers entzieht. Je öfter sich also die Brustdrüsenzellen teilen, umso häufiger kann es zu Fehlern in der Erbsubstanz kommen.

Neben genetischen Faktoren: Was erhöht das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken?

Prof. Harbeck: Es gibt nicht einen einzigen Risikofaktor für Brustkrebs, viele Faktoren spielen hier eine Rolle. Eine Hormontherapie in den Wechseljahren, v.a. wenn sie über mehrere Jahre eingenommen wird, kann das Risiko erhöhen. Auch Lebensstilfaktoren spielen eine Rolle - hier können Frauen aktiv vorbeugen. Ein normaler Body Mass Index ist wichtig, ebenso Sport und Bewegung.

Was sind typische Symptome von Brustkrebs? Wann sollte man mit einem Verdacht zum Arzt gehen?

Prof. Harbeck: Jeder neu aufgetretene Tumor in der Brust sollte abgeklärt werden. Auch Hautveränderungen wie Rötungen der Haut, Hauteinziehungen beim Heben der Arme, wie auch Sekret aus einer Brustwarze können Veränderungen in der Brust andeuten.

Die Diagnose Brustkrebs ist für Betroffene erstmal ein Schock. Was sind die ersten Schritte?

Prof. Harbeck: Die Diagnose ist immer ein Schock, aber es besteht kein Grund zur Panik. Brustkrebs ist keine Notfalldiagnose. In der Regel wird Brustkrebs durch eine Biopsie diagnostiziert - der erste Schritt ist es, sich dann in ein zertifiziertes Brustzentrum zur weiteren Therapieplanung zu begeben. Heute ist die Operation nicht zwangsläufig der erste Schritt der Therapie - je nach Tumorbiologie kann heute auch eine medikamentöse Therapie vor der Operation vorteilhaft sein.

Die Diagnose wirkt sich aber auch emotional auf Patientinnen aus - nichts ist mehr so, wie es war. Auch wenn man am Anfang denkt, man schafft das alleine, kann es Momente geben, in denen man Hilfe braucht. Daher ist es wichtig, sich frühzeitig auch psychoonkologische Hilfe zu holen. Psychoonkologische Beratung und Betreuung ist Teil in jedem zertifizierten Brustzentrum - dies kann helfen, mit der Erkrankung umgehen zu lernen.

Brustkrebs kann auch das Sexualleben massiv beeinflussen. Wie können Betroffene damit umgehen und wie kann ein Partner oder eine Partnerin hier eine Stütze sein?

Prof. Harbeck: Die Diagnose ist immer auch ein Stress für eine Partnerschaft. Wichtig ist es hier, ehrlich miteinander zu sein und die eigenen Gefühle zuzulassen und anzusprechen. Dies betrifft auch die Sexualität - hier findet sich in der ersten Phase der Erkrankung für sexuelle Bedürfnisse kein Raum, da alle Kraft für die Therapie und die Bekämpfung der Erkrankung benötigt wird. Aber auch wenn kein sexuelles Interesse besteht, so sind körperliche Nähe und das Gefühl geborgen zu sein, wichtig. Wenn Sexualität vor der Erkrankung in der Beziehung wichtig war, wird die Lust zurückkommen. Wichtig ist, sich hier Zeit zu lassen und die Partnerschaft so zu leben, wie es sich für beide gut anfühlt.

Wie können Angehörige und Freunde Brustkrebserkrankte unterstützen?

Prof. Harbeck: Die Unterstützung durch Angehörige oder Freunde ist sehr wichtig für die Patientinnen, sowohl beim Arztbesuch als auch im Alltag. Auch wenn die Patientin Momente hat, in denen sie alleine sein möchte, so ist doch das Gefühl, dass ihre Angehörigen und Freunde für sie da sind, eine große Erleichterung. Neben Gesprächen gehört auch Hilfe anbieten im Alltag dazu, um der Patientin Freiräume zur Erholung zu geben.