Katharina Stang bangte nach der nekrotisierenden Pankreatitis um ihr Leben. Heute steht sie Frauen und Männern bei, die eine Erkrankung am Pankreas haben. Foto: Jürgen Bach

Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den aggressivsten Tumorerkrankungen. Bei Katharina Stang, der Vorsitzenden des Ludwigsburger Selbsthilfevereins, finden die Betroffenen Unterstützung.

Es ist eine kleine Runde, die sich an dem Nachmittag im Böblinger Krankenhaus zusammengefunden hat. Der Aufenthaltsraum mit dem etwas hochtrabenden Namen Casino hat große Glasfronten, durch die der Blick auf den angrenzenden Wald fällt. Die sechs Teilnehmer, die um einen großen Tisch sitzen, teilen eine Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Zu spät erkannt

Schaut man in die Runde, könnte man fast nicht glauben, dass Bauchspeicheldrüsenkrebs einer der aggressivsten Krebsarten ist. Im Jahr 2019 erkrankten laut Robert-Koch-Institut in Deutschland rund 20 000 Menschen daran. Oftmals wird Bauchspeicheldrüsenkrebs zu spät erkannt und ist dann nicht mehr heilbar. Wichtige Warnsignale wie Oberbauchschmerzen, ungewollte Gewichtsabnahme, Rückenschmerzen, Übelkeit, Durchfall werden häufig übersehen. „Dass ihr noch hier seid, macht mir Mut“, sagt einer der Teilnehmer, der seine Diagnose mit Mitte 50 bekam, zu den beiden Frauen neben ihm. Eine davon hat 1999 die Diagnose gestellt bekommen, sie gehört zu den ersten Teilnehmerinnen.

Damals spindeldürr, hat ihr die Selbsthilfegruppe mehr gegeben als Beistand, sondern auch die Frage beantwortet, warum sie immer weiter abnimmt und ihr zur Einnahme der benötigten Enzyme geraten. Ihr Lebenswille scheint an diesem Tag ungebrochen: „Ich möchte gesund sterben und nicht krank“, sagt sie.

Von Betroffenen nimmt man Ratschläge besser an

Katharina Stang ist die Gründerin des in Ludwigsburg ansässigen Selbsthilfevereins Tumore und Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (TEB). Nach einer nekrotisierenden Pankreatitis 1998 wurden ihr 80 Prozent der Bauchspeicheldrüse operativ entfernt. Sie weiß, wovon sie spricht, das schätzen die Teilnehmer. „Von den Menschen nimmt man es mehr an“, sagt ein Teilnehmer. Ein anderer stimmt ihm zu. Der Arzt könne noch so häufiger zu mehr Bewegung an der frischen Luft ermahnen, „der weiß ja nicht, wie es einem geht“.

Corona – ein Schritt zurück

2013 ruft TEB mit anderen Organisationen den Welt-Pankreaskrebstag ins Leben. Das Ziel: Aufklärung und Sensibilisierung. „Die Krankheit wurde durch diesen Tag sichtbarer“, sagt Katharina Stang. Dann kam Corona. Operationen seien verschoben worden, Betroffene aus Angst vor Ansteckung zu spät zum Arzt gegangen. „Aus Erfahrung wissen wir, dass Zeit beim Bauchspeicheldrüsenkrebs eine entscheidende Rolle spielt“, sagt Stang. Manche Probleme wie der Pflegenotstand haben sich durch die Pandemie noch verstärkt. Um den Patienten länger zuzuhören, fehle oft die Zeit und die Recherche auf eigene Faust im Internet mache nur unsicher.

Nach 17 Jahren erkennt Katharina Stang, wer ihre fachliche Einschätzung sucht, wer eine tröstende Umarmung braucht. „Ich versuche, Betroffenen und ihren Angehörigen Mut zu vermitteln“, sagt die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin.

Auch Angehörige leiden

Dass die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht nur das Leben des Erkrankten verändert, weiß Helmut Stang, der seine Frau bei TEB unterstützt. „Wenn es ihr schlecht ging, habe ich nach Ärzten geschaut, wenn wir in ein Restaurant gehen, schau ich genau auf die Karte.“ Der schmale Grat zwischen Fürsorge und Bevormundung, sich um den anderen kümmern, ohne sich dabei selbst zu vergessen – er kann nachempfinden, wie hilflos man sich als Angehöriger fühlt. „Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs betrifft die komplette Familie, alle leiden auf ihre eigene Art“, sagt Katharina Stang, die deshalb auch für Angehörige Selbsthilfegruppen anbietet.

Anteilnahme anstatt Mitleid

Ein Betroffener erzählt, dass er in der Gruppe sei, um anderen zu helfen. Gerade den Menschen, die ihre Diagnose erst erhalten haben, kann er Mut zusprechen. „Mir hat es damals geholfen, dass meine Enkel zu Besuch kamen“, erzählt er. Die Chemotherapie habe ihn schnell reizbar gemacht, wenn die Kinder da gewesen wären, habe er sich zusammenreißen müssen. Und bei dem heimlichen Zeichen, den Daumen zwischen die anderen Finger geklemmt, habe seine Frau gewusst, dass ihn jetzt die Kraft verlasse.

Eine Frau erzählt, sie gebe dem Krebs in den Gesprächen nur begrenzt Platz. „Wenn meine Freundinnen da sind, sprechen wir eine Weile drüber, aber dann ist auch wieder Schluss.“ Von den Mitmenschen wünsche man sich Anteilnahme anstatt Mitleid, ergänzt ein weiterer Teilnehmer.

„Heute gehts uns gut und morgen sehen wir weiter“

Katharina Stang hat ihr Leben dieser Krankheit verschrieben. Als sie damals in den OP geschoben wurde und die Ärzte befürchteten, dass sie den Eingriff nicht überlebt, habe sie nach oben versprochen, dass sie sich ehrenamtlich engagiere, wenn sie überlebt, erzählt die 71-Jährige. Mittlerweile ist ihr Soll schon lange erfüllt, aber der dankbare Ausdruck in den Augen der Menschen, die sie unterstützt, sei mit nichts zu vergleichen. So brutal die Diagnose ist, so angsteinflößend das Wort Krebs – Katharina Stang ist es wichtig, den Blick auf die positiven Entwicklungen zu lenken: in der Behandlung, Therapie und Forschung. „Heute geht’s uns gut und morgen sehen wir weiter“, sagt sie und blickt ermutigend in die Runde.

Lebenswichtiges Organ

Lage
 Die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, liegt im mittleren Bereich der oberen Bauchhöhle zwischen Milz, Leber und Magen in einer C-förmigen Schleife des Zwölffingerdarms. Die Bauchspeicheldrüse lässt sich in drei Abschnitte einteilen: Kopf, Körper und Schwanz. Sie ist 15-20 Zentimeter lang, circa drei Zentimeter breit und wiegt 60 bis 70 Gramm.

Funktion
 Die Bauchspeicheldrüse erfüllt zwei lebenswichtige Funktionen. Sie produziert zum einen die Verdauungssäfte, die für die Aufschlüsselung und Zerkleinerung der Nahrung im Darm notwendig sind. Zum anderen bildet sie die Hormone Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren.