Die Diäten der 709 Bundestagsabgeordneten steigen im Rahmen der allgemeinen Einkommensentwicklung Foto: dpa

Nicht die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung ist kritikwürdig, sondern der Automatismus, mit dem dies geschieht, kommentiert Arnold Rieger.

Berlin/Stuttgart - 10 000 Euro im Monat! Der Aufregungspegel in den sozialen Netzwerken schlägt gewaltig aus, seit bekannt ist, dass die Diäten der Bundestagsabgeordneten erstmals die fünfstellige Hürde überspringen. Genau genommen sind es sogar 10 083,45 Euro! Zum 1. Juli dringen die aktuell 709 Volksvertreter damit in eine Einkommenssphäre vor, die für Otto Normalverdiener etwas Unerreichbares symbolisiert. Vielleicht sogar Reichtum.

Bei näherem Hinschauen zeigt sich jedoch, dass die sogenannte Entschädigung – sie ist übrigens steuerpflichtig – gerade mal um 3,1 Prozent steigt. Das ist nicht mehr, als in vielen Industriebranchen vereinbart wurde. An der Entwicklung der Nominallöhne im vergangenen Jahr orientiert sich denn auch die Diätenerhöhung. Das ist ein Automatismus, der nicht nur für den Bundestag gilt, sondern den mittlerweile auch die meisten Länderparlamente übernommen haben. Auch der Stuttgarter Landtag im übrigen, dessen Mitglieder sich zur Jahresmitte wohl auch auf das Zubrot freuen dürfen.

Diese Tatsache an sich sollte jedoch kein Grund zur Empörung sein. Abgeordnete, ob im Bundestag oder in den Landtagen, verdienen nicht zuviel – gemessen an ihrer Funktion, ihrer Verantwortung und ihrem Arbeitsaufwand. Das jährlich wiederkehrende Ärgernis ist vielmehr, dass der von ihnen erfundene Automatismus sie der Pflicht enthebt, über ihre Einnahmen öffentlich zu diskutieren und Rechenschaft abzulegen. Zugegeben, das ist unangenehm. Denn dabei würde zum Beispiel die Unfähigkeit zur Sprache kommen, die Zahl der Abgeordneten zu begrenzen. So aber sparen sie sich Aussprache und Abstimmung, die Diätenerhöhung wird zum bürokratischen Akt.