Joachim aus Bad Cannstatt ist mit 136 Kilogramm in das Diätprogramm gestartet. Foto: dpa

Ein Mann aus Bad Cannstatt hat mit einem Programm der Universität Hohenheim sein Gewicht von 136 auf 86 Kilogramm reduziert. Ausschlaggebend war ein Besuch beim Arzt. Beim Ultraschall konnte der nichts sehen und sagte: „Sie sind einfach zu fett“.

Bad Cannstatt - Joachim ist einen Sack Zement los. So fühlt es sich für ihn an, wenn er Treppen steigt. Früher war er fix und fertig, wenn er bei sich im zweiten Stock ankam. Joachim hat in einem Jahr 50 Kilogramm verloren. Mit einem Abnehm-Programm im Zentrum für Klinische Ernährung an der Uni Hohenheim. Joachim, der 50 Jahre alt ist und in Bad Cannstatt wohnt, hatte sich vor zweieinhalb Jahren auf 136 Kilogramm Körpergewicht hochgefuttert. Heute wiegt er noch 86 Kilogramm und hat höchstens ein Bäuchlein.

Während er anfängt zu erzählen, wie er die Pfunde hat purzeln lassen, packt er seine Vesperbox aus. Er hat Tomaten dabei und Maiswaffeln mit Geflügelwurst. „Meine Zwischenmahlzeit“, sagt Joachim. Regelmäßiges Essen sei das A und O. Er will in dieser Geschichte nur Joachim heißen, auch wenn er sich in Ganzkörperaufnahme abdrucken lässt.

Joachim vor der Diät... Foto: privat

Er erinnert sich noch gut an den Besuch beim Urologen. Der sah beim Ultraschall: nichts. „Er hat gesagt, ich sei einfach zu fett“, sagt Joachim. „Da habe ich beschlossen, etwas zu tun.“ Hinzu kam, dass seine Nierenwerte ziemlich mies waren.

Das Programm, das nach dem Produkt Optifast benannt ist, gibt es seit 2005 in Hohenheim, es wird auch an anderen Orten in Deutschland angeboten. Es beginnt quartalsweise. Der Abnehm-Kurs kostet 3400 Euro. Das Geld deckt die Kosten des Programms. Die acht bis zehn Teilnehmer eines Kurses – es sind vor allem Frauen – treffen sich einmal pro Woche am Wollgrasweg. Dort werden sie gewogen, ärztlich untersucht, sie arbeiten mit Verhaltenstherapeuten und Ernährungswissenschaftlern, tauschen sich untereinander aus, und sie lernen, gesund und fettarm zu kochen.

Die Teilnehmer essen zwölf Wochen lang nur die Optifast-Nahrung. Bedeutet: zwölf Wochen lang nichts als Beutelkost. Es gibt sechs Geschmacksrichtungen: Kartoffel-Lauch-Suppe, Tomatensuppe, Kaffee, Vanille, Schokolade und Erdbeere. Joachim sagt, das Zeug schmecke recht gut. Daher sei es ihm nicht allzu schwer gefallen. Fünf Beutel durfte er am Tag maximal löffeln. Wann, war ihm überlassen.

... und danach Foto: privat

Mit den Pulvermahlzeiten, die mit Wasser angerührt werden, nehmen die Teilnehmer täglich nur 800 Kalorien zu sich. Nebenher wird ein Bewegungsprogramm erarbeitet, angefangen mit zügigem Gehen oder leichter Gymnastik. Die Fastenphase ist zudem eine Art Gehirnwäsche: Den Teilnehmern bleibt nichts anderes übrig, als mit Ritualen zu brechen. „Es geht darum, alte Muster abzulegen und durch neue zu ersetzen“, sagt Katrin Hebestreit. Sie leitet das Programm in Hohenheim.

Nach der Beutelphase, wie Joachim und die anderen die Fastenphase nennen, werden die Beutel nach und nach gegen normales Essen getauscht. Die Teilnehmer dokumentieren ihre Kalorienzufuhr mit Hilfe eines Punktekontos, um den Jo-Jo-Effekt zu verhindern. Nach acht Wochen beginnt die langwierigste Aufgabe: Sie müssen lernen, ihr Gewicht zu halten. „Das ist die schwierigste Phase überhaupt“, sagt Katrin Hebestreit.

Die Teilnehmer haben einen BMI von 40

Manche Teilnehmer wiegen zu Beginn des Programms 200 Kilogramm. Der Durchschnitt hat einen Body Mass Index von 40. Die Hauptursachen dafür, dass Menschen so stark zunehmen, seien die Genetik und der Lebensstil, sagt Katrin Hebestreit.

Mit Normalgewicht laufen nach einem Jahr die wenigsten raus. Die meisten verlieren 20 bis 30 Kilo. Zehn Prozent Gewichtsverlust seien ein medizinischer Erfolg, sagt Hebestreit. „Jeder hat hier Ziele. Und viele haben sehr hohe Ziele.“ Wichtig sei, dass sie realistisch seien. In ihrem Büro hängen lauter Vorher-Nachher-Bilder von Leuten, die abgespeckt haben. Im Durchschnitt bringen sieben von zehn Teilnehmern das Jahr hinter sich. Damit ist es aber noch nicht getan: Wenn die einstigen Schwergewichte hinterher nicht selbst dranbleiben, „geht das Gewicht wieder schleichend nach oben“, sagt Katrin Hebestreit.

Seit seinem Abnehm-Jahr ist vieles anders, sagt Joachim. Er schaufelt sich zum Beispiel abends keine salzigen Erdnüsse mehr rein und vertilgt keine Flasche Wein. Er achtet peinlichst auf seine Kalorien, erlaubt sich zwar immer wieder etwas, aber streicht dann woanders weg. Für Joachim wird das Thema Essen vermutlich nie mehr unbelastet sein. Er darf sich nicht mehr gehen lassen, sonst schleppt er den Sack Zement wieder die Treppen hoch.