Transformation führt zu einer Industrialisierung der Landschaften. Foto: dpa/Jens Büttner

Der Deutsche Gewerkschaftsbund stellt seine zentralen Forderungen für den Strukturwandel in der Industrie vor – die DGB-Transformationscharta. Die Arbeitgeber ziehen da nur zum Teil mit.

Berlin - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will dem Strukturwandel eine klare Richtung geben: „Wir wollen eine Transformation, die unser Land sozial, ökologisch und demokratisch zum Besseren verändert“, heißt es in einer Transformationscharta, die am Dienstag auf einem teils virtuellen Kongress vorgestellt wurde.

„Die Bekämpfung wachsender ökonomischer und sozialer Schieflagen ist genauso bedeutend wie effektive Klimaschutzmaßnahmen“, betont der DGB. „Nur mit einem breiten gesellschaftlichen Rückhalt kann Klimaschutzpolitik funktionieren.“ Vorstandsmitglied Stefan Körzell sieht die Charta als „Angebot, um mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ins Gespräch zu kommen“. Beim Kontakt mit den diversen Ministerien habe man zudem „nicht immer das Gefühl, dass aufseiten der Bundesregierung gemeinsam gedacht wird“. Daher hofft der DGB, dass die neue Regierung die Vorschläge „sehr schnell und ressortübergreifend aufgreift“.

Uneinigkeit über die Rolle des Staates

In der Charta wird ein „starker und handlungsfähiger Staat“ verlangt, der Innovationen fördert, der Wirtschaft strategische Impulse gibt und einen Rahmen für den Wandel vorgibt. Widerspruch kommt in einer Diskussionsrunde von Steffen Kampeter, dem Hauptgeschäftsführer der Arbeitgebervereinigung (BDA): „Mehr Staat, mehr Schulden, mehr Steuern und Vorschriften – ich glaube nicht, dass das zu mehr Klimaschutz, mehr sozialer Gerechtigkeit und sozialem Zusammenhalt führt.“ Im Wettbewerb der Ideen sollte sich jedes Unternehmen auf seine Stärken konzentrieren können. „Es ist kein neues Denken, wenn man die alten Rezepte mit einer neuen Überschrift versieht.“

Auch an das Arbeitgeberlager gerichtet wirbt Kampeter für eine „positive Grundeinstellung zum Wandel“, der Spaß und Mut machen müsse. „Wir dürfen Veränderung auch im wirtschaftlichen Sinne nicht als Belastung sehen.“ Der Erfolgsdruck ist groß: „Wenn wir den Strukturwandel nicht geregelt kriegen, werden die anderen nicht folgen“, sagt Kampeter mit Blick auf China, Russland und die USA.

Naturschutzverbände auf der Seite des DGB

Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, der etwa 100 Organisationen und elf Millionen Mitglieder vereint, springt Körzell an zentraler Stelle bei: „Der Weg zur Klimaneutralität braucht klare Leitplanken, die nur ein starker Staat setzen kann“, mahnt er. Auch lasse sich das Ziel nur erreichen, „wenn wir mehr soziale Gerechtigkeit schaffen“. Als Beispiel nennt er wie der DGB einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro.

Niebert fordert zudem „mehr Ehrlichkeit“ in der Klimadebatte – und zwar in beide Richtungen: einerseits in die Regionen hinein, wonach sich die betroffenen Landstriche insbesondere auf einen Kohleausstieg schon Anfang der 2030er Jahre und nicht erst bis 2038 einstellen müssten. Aber auch die Umweltverbände sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Transformation in einer hohen Geschwindigkeit „zu einer Industrialisierung von Landschaften führen wird, indem wir Windräder aufstellen, die uns an die Grenzen der Belastbarkeit bringen wird“. Einig zeigt man sich, dass das Genehmigungsrecht vereinfacht werden muss. Am Abend diskutierte DGB-Chef Reiner Hoffmann mit den Spitzenkandidaten aller etablierten Parteien (außer AfD) über ihre Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik.