Daumen hoch für Miroslav Klose: Der Nationalstürmer ist der beste Beweis dafür, dass sich Ehrlichkeit und Ehrgeiz nicht ausschließen – demnächst löst er Gerd Müller als Rekord-Torjäger ab. Foto: dapd

Vorbild will Miroslav Klose sein, und das lebt er vor, als Fußballer und Mensch. Den Vergleich mit Gerd Müller, den er demnächst als Rekord-Torjäger ablöst, lehnt er ab. Dafür ist er zu bescheiden.

Berlin - Besonders wichtige Tore feiert Miroslav Klose auf seine Art – der Klose-Salto ist legendär. Nun hat er das Sprung-Teil schon eine Weile nicht mehr dargeboten, und dabei wird es nach Lage der Dinge auch bleiben. „Der Salto würde schon noch gehen“, sagt er, „aber ich will es nicht versuchen. Ich will ja bei der WM 2014 noch dabei sein.“

Nicht dass Klose große körperliche Gebrechen plagen. Aber mit 34 Jahren muss man die Dinge auch nicht mehr ausreizen. Es genügt ja, wenn er Woche für Woche seine Knochen hinhält. Das macht er immer noch so unübertrefflich gut, dass Bundestrainer Joachim Löw schwärmt: „Jeder Trainer kann froh sein, wenn er einen Klose in der Mannschaft hat.“ Denn Klose ist einzigartig. Als Torjäger. Und als Mensch.

Bevor Klose im WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Berlin zum 126. Mal das Trikot mit dem Bundesadler tragen wird, zeichnet der DFB den Stürmer von Lazio Rom mit einer Fair-Play-Medaille aus. Im September hatte Klose beim 0:3 seines Vereins gegen den SSC Neapel ein schon gegebenes Tor wegen eines Handspiels annullieren lassen. „Der Schiedsrichter hat mich gefragt, ob der Ball an meiner Hand war. Ich habe Ja gesagt. Das war für mich selbstverständlich.“

„Die Fairness sollte vorgehen“

Es ist nicht das erste Mal, dass fair für ihn vorgeht: Vor sechs Jahren hatte Klose in seiner Zeit bei Werder Bremen gegenüber dem Schiedsrichter eingeräumt, dass der Bielefelder Torwart Mathias Hain ihn im Strafraum nicht gefoult, sondern den Ball gespielt habe. Der Unparteiische nahm daraufhin die Elfmeterentscheidung zurück.

Für Klose ist dieses Verhalten normal, für manche seiner Kollegen nicht – was Klose zu einem Appell für mehr Fair Play nutzt. „Ich weiß, wie viele Kinder zuschauen“, sagt der Vater von Zwillingen, „wir haben eine Vorbildfunktion. Das ist ein bisschen verloren gegangen. Die Fairness sollte vorgehen.“

Sie geht ihm im Endeffekt über Titel und Tore. Aber natürlich ist sein Ehrgeiz ungebrochen groß, um weiter unermüdlich nach sportlichen Meriten zu streben. Auf seine Weise – fair eben. Und bescheiden. Und ohne Hektik. Damit ist er ein Fossil in der aufgeregten Fußball- und Medienszene, auch das hebt ihn über viele andere hinaus. Nur über Gerd Müller nicht. Vergleiche mit dem „Bomber der Nation“ lehnt Klose strikt ab, dabei löst er ihn demnächst als Rekord-Torschütze in der Nationalmannschaft ab. 65 Treffer hat Klose seit 2001 in 125 Länderspielen erzielt, Müller war in 62 Spielen auf 68 Tore gekommen. „Das ist ein absoluter Witz, mich mit ihm zu vergleichen“, sagt Klose, „ihn darf man mit niemandem vergleichen. Was er geleistet hat, ist einmalig.“

Schon jetzt ist kaum auszudenken, was wäre, wenn Klose ausfallen würde

Das findet auch Uli Hoeneß. Bayern Münchens Präsident hatte Klose polemisch kritisiert und der Öffentlichkeit weismachen wollen, er habe 80 Prozent seiner Tore gegen Fußballzwerge erzielt – im Gegensatz zu Gerd Müller. Damit hat sich Hoeneß selbst diskreditiert. „Das Thema ermüdet mich“, sagt Klose, und er lässt Zahlen für sich sprechen. In drei WM-Endrunden hat er 14 Treffer erzielt, 2014 kann er den Rekord von Ronaldo (15) brechen. „Das spricht Bände“, sagt Löw. Klose bedeutet dieser Rekord nicht viel, sagt er – so bescheiden, wie er ist, glaubt man ihm aufs Wort: „Vielleicht macht es mich stolz, wenn ich aufgehört habe. Aber mein Weg ist noch lange nicht zu Ende.“

Das hört vor allem Joachim Löw gern. Schon jetzt ist kaum auszudenken, was wäre, wenn Klose ausfallen würde. Mario Gomez, der zweite Nationalstürmer, ist zurzeit verletzt, dahinter klafft ein Loch, das so schnell auch nicht zu schließen ist. In Stefan Kießling (Leverkusen) und Mike Hanke (Gladbach) hat Löw kein Vertrauen, Patrick Helmes (Wolfsburg) ist verletzt, Cacau (VfB) aussortiert. Und die U-21-Generation mit Paniel Mlapa (Gladbach/zurzeit verletzt), Karim Bellarabi (Leverkusen), Maximilian Beister (Hamburg), Pierre-Michel Lasogga (Hertha BSC/verletzt), Julian Schieber (Dortmund), Kevin Volland (Hoffenheim), Sebastian Polter und Alexander Esswein (beide Nürnberg) muss schon froh sein, wenn sie in der Liga regelmäßig zum Zug kommt. „Wenn man Klose und Gomez zum Maßstab nimmt, dann klafft bei uns eine Lücke von ein paar Jahren“, sagt U-21-Bundestrainer Rainer Adrion. Maximal zwei Jahre haben die Talente noch Zeit. Dann fällt der Vorhang für Miroslav Klose.