Ob er dann immer noch im Amt ist? Bundestrainer Joachim Löw vor einem Plakat für die EM 2024.Gereizt und schnippisch: der DFB-Direktor Oliver Bierhoff Foto: dpa

Bundestrainer Joachim Löw wird nach seiner WM-Analyse kaum von der Liga und aus DFB-Kreisen kritisiert – das hat auch mit der deutschen EM-Bewerbung 2024 zu tun.

Stuttgart - Die große Kritik blieb aus. Sie kam nicht aus der Bundesliga, nicht aus DFB-Kreisen, nicht von den Managern der Clubs. Joachim Löws eher dünnes Neuanfängle vom Mittwoch in München wurde zumindest nach außen hin schweigend bis wohlwollend zur Kenntnis genommen – was wohl meist den einen, den übergeordneten Grund hat. Er heißt: EM 2024.

Am 27. September ist es soweit, dann entscheidet das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (Uefa) über den Ausrichter des Turniers in sechs Jahren. Einziger Konkurrent der deutschen Bewerbung ist die Türkei. Wahlberechtigt sind 18 Funktionäre, der DFB-Präsident Reinhard Grindel und sein türkischer Amtskollege Servet Yardimci dürfen keine Stimme abgeben. „United by football. Vereint im Herzen Europas.“ So lautet der Slogan, mit dem sich Deutschland um die Ausrichtung bewirbt. Was all das mit Löws Auftritt und den Reaktionen darauf zu tun hat?

Es passt alles zusammen – weil alles miteinander zusammenhängt. Vereint für die Bewerbung der EM. Ein Stillhalteabkommen, ein Schweigegelübde in den entscheidenden Kreisen des deutschen Fußballs. United für die Harmonie, für die Friedensbotschaft nach außen. Denn das Letzte, was der DFB nach der Erdogan-Affäre, nach dem skandalumtosten Rücktritt des deutsch-türkischen Ex-Nationalspielers Mesut Özil jetzt noch brauchen kann, ist die nächste Baustelle, den nächsten Stress und den nächsten Eindruck, dass es im Dampfer DFB nur noch raucht, dass ihn niemand mehr auf Kurs hält. Und dass der Dampfer irgendwann gegen die Wand fährt. Deshalb: Harmonie, zumindest in der Bundestrainer-Frage.

Grindel ist längst angezählt

Die türkischen Bewerber sollen unabhängig davon angeblich längst versucht haben, mit Hilfe von Lobbyisten und Hintermännern unter den Funktionären in Nyon eine Antipathie gegen Deutschland zu wecken, indem sie eine indirekte Rassismus-Kritik verbreitet haben sollen. Nachläufer der Erdogan-Affäre sind das, Nachläufer des völlig missratenen Umgangs des DFB mit dem Hauptprotagonisten Özil, dessen Rassismus-Vorwürfe gegen den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel Wasser auf die Mühlen der türkische Bewerbung waren.

Ohnehin ist Grindel längst angezählt. Er hat weder einen echten Draht zu den Spielern noch zur sportliche Leitung der Nationalelf. Ohne Not verlängerte er vor der WM den Vertrag mit Bundestrainer Löw vorzeitig bis 2022, er war von Beginn an eine Notlösung nach dem Sommermärchen-Skandal. Und dann kam sein Versagen im miserabelen Krisenmanagement des DFB in der Erdogan-Affäre dazu. Dass Grindel vonseiten des DFB und der Liga nicht längst härter angegangen wurde, auch das hat nur einen Grund: die EM 2024, die nicht aufs Spiel gesetzt werden soll. Grindel sitzt im Uefa-Exekutivkomitee. Sein Aus als DFB-Präsident würde der Bewerbung einen immensen Schaden zufügen.

Bierhoff gibt sich schnippisch

Dabei liegen die allgemeinen deutschen Vorzüge im Vergleich mit der türkischen Bewerbung auf der Hand. Etwa bei den Stadien, bei der Infrastruktur. Von der Einhaltung der Grundrechte ganz zu schweigen. Sollte Deutschland den Zuschlag nicht bekommen, dürfte Grindels Zeit als DFB-Präsident abgelaufen sein. Und der Mann, der als Organisationschef des Turniers eingeplant ist, hätte dann auch erst mal keinen Job mehr beim DFB.

Philipp Lahm, der Weltmeister-Kapitän von 2014, stieg ja kürzlich vom Botschafter zum Chef des Turniers auf – im Falle des Zuschlags. Sollte das nicht klappen und Grindels Zeit dann vorüber sein, stünde der machtbewusste Lahm zumindest theoretisch als neuer Präsident bereit. Das Cleverle hat den Fuß in der Tür.

Welche Rolle ein anderer Ex-Profi künftig spielt, ist dagegen klar. Oliver Bierhof firmiert als neuer DFB-Direktor. Der wie Löw ebenfalls umstrittene Bierhoff betonte am Mittwoch, dass er nach dem Vorschlag von Präsident Grindel den in der Kritik stehenden Marketingslogan „Die Mannschaft“ analysieren und hinterfragen wolle. Bierhoff tat das gereizt und leicht schnippisch. Er wirkte fast beleidigt. Auch diese zumindest fragwürdige Reaktion wurde kaum kritisiert. Es ist ja bald EM-Vergabe.