Unmut auf der deutschen Trainerbank: Bundestrainer Joachim Löw (links) und sein Assistent Thomas Schneider Foto: dpa

Mindestens sechs Tore wollte die DFB-Elf gegen den Fußballwinzling Gibraltar schießen. Da hatten die Deutschen den Mund zu voll genommen. Es blieb bei einem 4:0. Bundestrainer Löw ist unzufrieden.

Nürnberg - Von wegen Torrekord: In einem absurden Spiel haben sich die Fußball-Weltmeister gegen den großen Außenseiter Gibraltar mit einem 4:0 (3:0) begnügt.

Thomas Müller (12./29. Minute) mit seinem fünften Doppelpack für Deutschland und Mario Götze (38.) überwanden vor 43 520 Zuschauern in der ausverkauften Nürnberger Arena die Abwehrwand der Amateure aus Südeuropa. Treffer Nummer vier steuerte Yogan Santos (67.) per Eigentor bei.

"Vier Tore sind viel zu wenig"

Bundestrainer Joachim Löw war mit den 90 Minuten überhaupt nicht zufrieden. "Die Mannschaft hat die Forderungen nicht in dem Maße erfüllt, wie ich mir das gewünscht habe. Wir wollten auftreten wie ein Weltmeister, da sind vier Tore viel zu wenig. Irgendwie standen die meist mit zehn Mann um den eigenen Strafraum. Da muss man auf engstem Raum richtig Tempo machen. Das ist uns nicht gelungen", stellte er nach dem Pflichtsieg bei RTL nüchtern fest. "Wir müssen schauen, dass wir das WM-Jahr jetzt noch positiv zu Ende bringen und eine andere Leistung, eine andere Spannung zeigen", meinte Löw mit Blick auf den Jahresabschluss am Dienstag in Vigo gegen Spanien.

Zwar holte die DFB-Auswahl die fest programmierten drei Punkte in der EM-Qualifikation und verbesserte sich in der Gruppe D auf Platz drei, offenbarte aber eine mangelhafte Torausbeute gegen eine Mannschaft, die permanent mit neun Spielern den eigenen Strafraum verteidigte. "Es ist natürlich schwierig, wenn da hinten ein Mannschaftsbus drinsteht", sagte Torhüter Manuel Neuer. Auch Mario Götze beklagte die geringe Ausbeute: "Ich hätte mir mehr Tore gewünscht."

So einseitig wie das 117. Länderspiel unter Löws Regie verlief wohl selten zuvor eine Begegnung der Nationalmannschaft. Das Duell gegen die Freizeitkicker aus dem Süden Europas geriet von der ersten Minute an zum Einbahnstraßen-Fußball, bei dem die voll auf Offensive getrimmten Weltmeister kaum eine Gelegenheit zum Abschluss ausließen. Allerdings hatten es die Angreifer gegen meist mit zehn Spielern am eigenen Strafraum versammelte Gäste schwer wie lange nicht, eine Lücke zu finden. Immerhin erfüllte sich für Gibraltar ein Traum, mit vier Gegentreffern kamen die Amateure vom Affenfelsen deutlich glimpflicher davon als Brasilien im WM-Halbfinale.

Ideenlos und unpräzise

Auch weil die Mannschaft wenig zu inspiriert wirkte und Ideen und Präzision vermissen ließ, blieb das allseits erwartete Torfestival im zweistelligen Bereich aus. Die Spieler erfüllten zwar Löws Forderungen und hielten ihre Positionen, doch wiederholt standen sich die vielen Offensivkräfte gegenseitig im Weg.

Gegen die mit Herz und Leidenschaft verteidigende "Rote Wand" hinterließ die rechte Seite mit Shkodran Mustafi und dem sehr spielfreudigen Karim Bellarabi einen stärkeren Eindruck als die linke. Dort versuchte sich Rückkehrer Lukas Podolski häufig mit Fernschüssen, die sich allesamt in der engmaschigen Abwehr verfingen. 20 Minuten vor dem Ende schickte Löw den Kölner Jonas Hector als 74. Neuling in seiner Amtszeit auf den Rasen.

Jerome Boateng hatte in seinem 50. Länderspiel als Chef einer Dreier-Abwehrkette neben Mustafi und Erik Durm immer wieder Zeit, sich als Ballverteiler im Mittelfeld zu betätigen. Letztmals in einem 3-5-2-System hatte die DFB-Auswahl im November 2011 in der Ukraine gespielt, damals war das Experiment beim 3:3 missglückt.

Nur bis zur 12. Minute mussten die erwartungsvollen Zuschauer auf den ersten deutschen Treffer warten, zu dem Mustafi mit einer scharfen Hereingabe die Vorarbeit leistete. Den vom Pfosten abprallenden Ball lenkte Müller zu seinem 25. Tor im DFB-Trikot über die Linie. Weiteren Möglichkeiten durch Bellarabi (10.), Toni Kroos (16.) und den um sein erstes Länderspiel-Tor bemühten Boateng (23.) stand der 23-jährige Jamie Robba im Tor von Gibraltar im Weg.

Podolski war bei seiner Bewährungschance in der Startelf die fehlende Spritzigkeit deutlich anzumerken. Seine bis dahin beste Szene hatte der Wahl-Londoner in der 29. Minute, als er mit schnellem Antritt auf dem linken Flügel und scharfer Hereingabe Müllers 2:0 einleitete. Nach Doppelpass mit Max Kruse drang Götze sieben Minuten vor der Pause energisch in den Strafraum ein und sorgte für den dritten deutschen Treffer.

Dass selbst gegen einen Gegner wie Gibraltar kurz vor der Pause ein Gegentor drohte, offenbarte die Probleme in der deutschen Not-Abwehr. Mit einer tollen Parade lenkte Manuel Neuer, der sich bis dahin wegen mangelnder Beschäftigung häufig in der Nähe des Mittelkreises aufgehalten hatte, den Distanzschuss von Liam Walker (45.) zur Ecke. Aufgebracht über diese Nachlässigkeit in der Defensive raufte sich Bundestrainer Löw auf der Bank die Haare.

Deutsche Dominanz ohne zwingende Toraktionen lautete auch in den zweiten 45 Minuten die Devise in einer wenig unterhaltsamen Partie. Mit der Einwechslung von Kevin Volland für Sami Khedira erhöhte Löw nach einer Stunde Spielzeit noch einmal das Offensivpotenzial seiner Mannschaft. Für das vierte deutsche Tor sorgten schließlich die Gäste aus Gibraltar selbst, als der eingewechselte Yogan Santos in der 67. Minute eine Podolski-Hereingabe in den eigenen Kasten lenkte.