Diskutieren Sie mit! Die Luft wird knistern, der Rasen brennen. Mit 50 000 Fans im Rücken will der VfB einen Festtag feiern. Borussia Dortmund ist am Dienstag der Favorit im Viertelfinale um den DFB-Pokal. Aber was heißt das schon?

Stuttgart - An Tagen wie diesen hat die Gewohnheit keinen Dienst. Die Spieler sind ein bisschen nervöser als sonst, die Fans eine Spur emotionaler, die Medien noch interessierter. Und weil der VfB Stuttgart derart furios in die Rückrunde gestartet ist, dass sich selbst ein Topteam wie Borussia Dortmund seiner Sache nicht mehr sicher sein kann, ist der Reiz der Ungewissheit noch größer als sonst: Keiner weiß, wie’s ausgeht. Klar ist nur: Unentschieden sind im DFB-Pokal nicht vorgesehen. „Da muss ich keine Motivationsrede mehr halten“, sagt Jürgen Kramny und blickt selbstbewusst in eine Wand aus Kameras.

Das Wort „heiß“ hat Konjunktur in diesen Tagen. Gefolgt von „einmalig“ und „Chance“. Dann benennt der VfB-Coach das Ziel der Abenteuerreise, als sei es der Sehnsuchtsort aller Träume: Berlin! Nur noch zwei Schritte. Trotzdem ist der Weg ins Pokalfinale am 21. Mai noch weit. Es ist ja nicht so, dass sich aus Dortmund die Baumschule vorstellt. „Wenn sie Geschwindigkeit ins Spiel bringen“, sagt Kramny, „haben sie eine besondere Qualität.“ Im Liga-Duell zuletzt hat der VfB die Bremse jedenfalls nicht gefunden. Am Ende stand es 1:4. Es war das erste Spiel mit dem neuen Trainer. „Das kann man nicht vergleichen“, sagt Kramny so kühl, dass man sich einen Schnupfen holen könnte. Seither hat der VfB 14 Punkte gesammelt und im Pokal das Duell gegen Braunschweig gedreht. „Die Borussia ist zwar ein außergewöhnlich gutes Team“, sagt der VfB-Trainer, „aber wir haben ein Heimspiel und unsere Fans im Rücken.“

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Mit heißen Herzen und kühlem Verstand

Vermutlich würde er das alles nicht ganz so selbstbewusst formulieren, wenn er nicht eine exakte Vorstellung davon hätte, wie man den schwarz-gelben Express um Marco Reus und Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang von dort weghalten könnte, wo es am gefährlichsten ist. „Bei uns im Strafraum.“ Hilfreich könnte sein: Abstände eng halten, gut und schnell verschieben, die Zweikämpfe mit heißem Herzen, aber kühlem Kopf bestreiten. Und bei Ballbesitz den Gegner in der Unordnung überrumpeln.

Was gar nicht so einfach ist, wenn man Kevin Großkreutz heißt und die Dortmunder Skyline vor lauter Heimatverbundenheit sogar auf der Wade trägt. Mit Kälteweste wird er trotzdem nicht spielen. So wenig wie Mitch Langerak, der vor dieser Saison aus Dortmund nach Stuttgart wechselte, sich gleich mal schwer verletzte und gegen seine alten Spezi vermutlich die sportliche Wiedergeburt feiern wird.

Weil man beim VfB neuerdings nicht nur den Teamgeist beschwört, sondern auch lebt, sieht es danach aus, dass der Aussie den Lohn für gute Trainingsleistungen bekommt. Zwar lobt der Coach seine Nummer eins über den Schellenkönig („Er macht einen Super-Job“), aber Przemysław Tyton wird in keine Sinnkrise stürzen, wenn er sich die Partie von der Bank anschaut. „Wir haben auch eine gute Nummer zwei“, sagt der Coach und gestaltet seine Miene so gönnerhaft, als habe er den Neugierigen von der Presse ein Geheimnis verraten.

Atempause für Timo Werner?

Möglich auch, dass der Turbo von Timo Werner diesmal nur auf Standgas läuft. An seine Stelle würde dann wohl Artem Kravets rücken. Der Neue von Dynamo Kiew schoss als Joker den Siegtreffer gegen den HSV (2:1) und ließ gegen die Frankfurter Eintracht nach seiner Einwechslung ahnen, was noch so in ihm steckt. Nicht auszuschließen ist überdies, dass Florian Klein die Rolle von Lukas Rupp im Mittelfeld übernimmt. Aber vielleicht ist ja auch alles ganz anders – und Kramny spielt nur ein bisschen Verstecken.

Der Vollständigkeit halber bliebe noch zu erwähnen, dass der Trainer wieder die Glücks-Jeans trägt, die mittlerweile Hosen-Geschichte schreibt. Weil beim VfB nach langer Zeit mal wieder alles passt wie angegossen.