Serge Gnabry (links) im Länderspiel gegen Frankreich in Paris. Foto: Baumann

23 Jahre, extremer Antritt und variabel einsetzbar – der gebürtige Stuttgarter Serge Gnabry soll das Angriffsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beleben.

Leipzig - Die 100-Meter-Sprinter aus der Leichtathletik kennen diese Frage, Serge Gnabry (23) hat sie am Mittwoch mutmaßlich zum ersten Mal gehört. Nachdem er in Leipzigs Arena seine Premiere auf dem Pressepodium im Kreis der Nationalelf Platz erlebt hatte und ruhig auf seinem Stuhl saß, ging es um seine Sprinterqualitäten. Und eben darum, ob das alles in seinen Genen liege und er die Schnelligkeit vererbt bekam – oder ob er sich alles antrainiert hat. Gnabry überlegte kurz und gab dann den Usain Bolt: „Ich denke schon, dass ich die Geschwindigkeit vererbt bekam, die Anatomie hat es hergegeben, dass ich sehr schnell rennen kann.“ Allerdings, so Gnabry weiter, müsse man als Fußballer dafür auch immer hart arbeiten: „Im Kraftraum und bei gewissen Übungen draußen auf dem Platz.“

Eine Hoffnung für das Angriffsspiel

Gnabrys schnelle Schritte haben ihn weit gebracht in seiner noch jungen Karriere, deren vorläufigen Höhepunkt er vor dem Freundschaftsspiel der Nationalelf an diesem Donnerstag in Leipzig gegen Russland (20.45 Uhr/RTL) erreicht hat. Denn Gnabry ist nicht weniger als die große Hoffnung auf die Zukunft im Angriffsspiel des Nationalteams, das er mit seinem Tempo beleben soll. Und so ganz nebenbei ist er auch nicht weniger als die Hoffnung auf die Zukunft im Angriffsspiel beim FC Bayern. Dort also, wo es gerade ähnlich wie bei der DFB-Elf alles andere als rund läuft.

Gnabry nimmt dabei so etwas wie eine Doppelrolle ein. Er ist sowohl beim kriselnden FC Bayern als auch beim kriselnden DFB-Team gerade einer der wenigen Gewinner unter Verlieren. Er ist ein Lichtblick in düsteren Zeiten – weil er nicht nicht nur ein versierter Umschaltspieler auf dem Platz ist. Sondern auch ein Umbruchspieler im übergeordneten Sinn.

In München brauchen sie von der nächsten Saison an wohl Ersatz für die alternde Flügelzange Arjen Robben/Franck Ribéry. Gnabry ist neben dem derzeit verletzten Franzosen Kingsley Coman der dafür vorgesehene Mann. Die Nationalelf wiederum kann Gnabrys Offensivschwung dringender denn je brauchen.

Teil eines starken Offensiv-Trios

Was er draufhat, zeigte er in den vergangenen Wochen in München – und im Oktober beim Länderspiel gegen Frankreich (1:2), als er ein Teil des schnellen Offensivtrios aus ihm sowie Timo Werner und Leroy Sané bewies, dass die Nationalelf anders als bei der WM in Russland mit frischen Kräften wieder Tempofußball zeigen kann. „Wir drei haben uns gut verstanden in Paris“, sagte Gnabry nun. Seine Rolle unterscheidet sich dabei von jener, die er beim FC Bayern innehat. In München kommt er entweder über den rechten oder den linken Flügel, beim DFB-Team spielt er zentral. „Ich bin variabel einsetzbar, weil ich schon in der Jugend auf diesen Positionen gespielt habe“, meinte er dazu.

Gnabrys besagte Jugend – sie begann fußballerisch so richtig beim VfB, wo der Sohn eines Ivorers und einer Württembergerin von 2006 bis 2011 durchstartete. Der FC Arsenal wurde auf den Stuttgarter, der in Weissach aufwuchs, aufmerksam. Mit 15 Jahren verließ Gnabry 2011 den VfB und wechselte nach London. Mit 18 Jahren war es dann so weit: Gnabry kickte zum ersten Mal in der Champions League. Damals anwesend war Hansi Flick, der damalige Assistent von Joachim Löw. Gnabry war fortan auf dem Zettel.

Silbermedaille bei den Olmpischen Spielen

Der Bundestrainer sagte nun in Leipzig, dass Gnabry schon ein Thema für die WM 2014 in Brasilien gewesen sei. Vier Jahre später fürs Turnier in Russland war Gnabry das auch, ein Muskelbündelriss setzte ihn aber außer Gefecht. Es war nicht die erste Muskelverletzung – auch hier verhält es sich beim Offensivmann ein bisschen so wie bei einem Sprinter aus der Leichtathletik: Die Muskeln bei schnellkräftigen Typen sind eben meist besonders empfindlich. Als Gnabry jedoch fit war, da brachte er meist starke Leistungen. Das war auch 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio so, als er mit der deutschen Elf Silber holte.

Auf der Tribüne saß damals der Mann, der seit 2017 der Sportvorstand des VfB Stuttgart ist und damals noch Kaderplaner beim FC Bayern München war. Michael Reschke war bei Olympia angetan von Gnabry – und leitete den Transfer nach München in die Wege. Gnabry schien nach einer durchwachsenen Spielzeit vorher in England noch nicht reif für die Bayern – also ging er 2016 zunächst zu Werder Bremen. Angeblich mit freundlichem Zutun des FC Bayern, angeblich mit einer Ausstiegsklausel, die den späteren Wechsel ermöglich haben soll. 2017 dann, ein Jahr später also, verpflichteten die Bayern Gnabry tatsächlich, liehen ihn aber für ein Jahr an die TSG Hoffenheim aus, wo er unter dem Trainer Julian Nagelsmann nochmal einen großen Schritt nach vorne machte.

„Wenn Serge so so weitermacht, wird er ein sehr wichtiger Spieler für uns werden“, sagte Joachim Löw noch am Mittwoch. Der Sprinter Gnabry ist gerade auf einem sehr guten Weg – aber noch lange nicht am Ziel.