Auch in Wolfsburg wird der DFB-Elf klar, dass sie Vertrauen und Sympathie erst zurückgewinnen muss. Foto: dpa

Erst gespenstische Ruhe, dann Pfiffe und Buhrufe beim 1:1 im Testspiel in Wolfsburg gegen Serbien: Das Ansehen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist so ramponiert wie letztmals 2004.

Wolfsburg - Südländisches Temperament ist nicht die erste Eigenschaft, die mit Menschen niedersächsischer Herkunft verbunden wird. Umso erstaunlicher, wie die Besucher im Wolfsburger Fußballstadion beim Halbzeitpfiff des Testländerspiels zwischen Deutschland und Serbien (1:1) plötzlich aus sich herausgingen. Die einen steckten ihre Finger in den Mund und pfiffen, so laut sie nur konnten. Die anderen verschafften ihrem Unmut durch wiederholte Buhrufe Luft.

Es war an diesem Abend das erste Mal, dass sich die Zuschauer bemerkbar machten. So gespenstisch still war bis dahin im mit 26 000 Zuschauern angeblich ausverkauften Rund die Stimmung gewesen, dass die Anweisungen der Trainer bisweilen bis unters Tribünendach zu hören waren. „Ich war darüber schon ein bisschen überrascht“, sagte Joshua Kimmich, „klar sind die Leute ungeduldig, aber wir befinden uns schließlich im Umbruch.“

Der DFB-Elf steht ein zäher Kampf bevor

Mag sein, dass Wolfsburg keine Hochburg ausgeprägter Fankultur ist. Doch war die Stimmung auch in Gelsenkirchen nicht besser gewesen, als sich die DFB-Elf im vergangenen November in der Nations League mit einem 2:2 gegen die Niederlande aus dem Kreise der stärksten Teams verabschiedet hatte. Nun weiß man: Auch der zuletzt von Bundestrainer Joachim Löw ausgerufene Neustart mit einer verjüngten Mannschaft ändert nichts daran, dass es ein zäher und langer Kampf bleibt, Vertrauen und Sympathien der Fans zurückzugewinnen.

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Das WM-Debakel einer von der Basis weit entfernten Mannschaft, die missratenen Auftritte in den Spielen danach, zuletzt der unrühmliche Ausschluss des Münchner Weltmeister-Trios, dessen die Fans in Wolfsburg mit Plakaten gedachten: Das Ansehen der DFB-Elf im eigenen Land ist seit 2004 nie ramponierter gewesen. „Wir müssen uns den Kredit erst wieder erarbeiten“, sagt Oliver Bierhoff. Der DFB-Direktor hat zur Entfremdung maßgeblich beigetragen – jetzt gibt er sich auch weiterhin große Mühe, die deutsche Auswahl, die sich noch immer unverdrossen „Die Mannschaft“ nennt, wieder nahbarer zu machen.

Die Charmeoffensive wird fortgesetzt

Wie in Gelsenkirchen rief der DFB auch in Wolfsburg die große Charmeoffensive aus. Beim ersten Training durften am Montag 1500 ausgewählte Zuschauer Autogramme sammeln. Am Spieltag beehrte Bundestrainer Joachim Löw die VW-Betriebsversammlung, vor dem Anpfiff wurden kostenlose Fanschals mit der Aufschrift „Fußball, das sind wir alle“ verteilt. An diesem Freitag schließlich sollen die Nationalspieler zur Werksbesichtigung geschickt werden, damit sie sehen, wie Autoschrauber im Blaumann ihr „Normalo“-Gehalt verdienen. PR-Aktionen im Sinne des neuen Generalsponsors, natürlich. Gleichzeitig aber auch Versuche, wieder bodenständiger rüberzukommen.

Klar ist: Am einfachsten funktioniert dies noch immer mit überzeugenden Auftritten auf dem Rasen. Extrem wichtig daher die klare Leistungssteigerung der jungen deutschen Mannschaft nach der Pause, die nach der enttäuschenden ersten Hälfte die Hoffnung auf einen erfolgreichen Umbruch nährte. Seine Mannschaft habe damit „ein sehr gutes und deutliches Signal“ gesendet, sagte Bundestrainer Joachim Löw – ein Signal, das zumindest etwas Wirkung entfaltete. Nach der Pause kam tatsächlich ein bisschen Stimmung auf.