Devid Striesow und Ursina Lardi Foto:  

Devid Striesow kommt an diesem Samstag und Sonntag ins Stuttgarter Schauspielhaus zu einem Gastspiel mit Tschechows „Kirschgarten“. Mit dabei sind prominente Kollegen wie Joachim Król oder Ursina Lardi.

Stuttgart - „Devid Striesow bestimmt die Temperatur jedes Abends – und meist knallt es von der ersten Sekunde an. Ich glaube, Devid Striesow ist der einzige Schauspieler, den ich kenne, den man mit einer Blutgrätsche von der Rampe fegen könnte – und er fände das richtig gut“, meint sein Schauspielkollege Joachim Król über Striesow.

Striesow selbst beschreibt sich da etwas gelassener: „Das Spiel entsteht aus den Situationen, aus der besonderen Konstellation der Beteiligten. Das hat auch mit einer Eigenverantwortung jedes Einzelnen zu tun. Ich frage nicht: Wie soll ich’s machen?, und bin dann ein Dienstleister, der die Anordnungen der Regie ausführt. So will ich sowieso nicht arbeiten. Sondern wir setzen darauf, dass alle hier das Gleiche wollen: am Ende einen intensiven Abend auf die Bühne bringen.“

Beide sprechen über dasselbe Bühnenprojekt: Anton Tschechows Tragikomödie „Der Kirschgarten“ in der Inszenierung von Thorsten Lensing und Jan Hein, mit der sie an diesem Samstag und Sonntag jeweils um 19 Uhr im Stuttgarter Schauspielhaus gastieren. Striesow spielt darin den aufrichtigen Kaufmann Lopachin, der durch eigenen Fleiß aufgestiegen ist und der es nun mit einer russischen Adelsgesellschaft zu tun hat, die vergeblich versucht, ihren Untergang aufzuhalten.

Große Gesten und große Gefühle

Der Hintergrund für diese Gastspielverpflichtung: Jan Hein ist mit Armin Petras nach Stuttgart gekommen und ist seitdem hier der leitende Dramaturg des Intendanten am Staatsschauspiel. Lensing und Hein haben zueinandergefunden, weil sie große Texte mit großen Schauspielern umsetzen wollen, gründeten deshalb 1997 das Theater T 1 in Münster. Im Dezember 2011 eröffneten sie mit dem „Kirschgarten“ die Berliner Sophiensäle nach deren Teilsanierung, schon zuvor spielten sie im März 2008 dort Tschechows „Onkel Wanja“ mit Striesow und Josef Ostendorf.

Zurück zum „Kirschgarten“: Große Gesten, große Gefühle, viel Verausgabung – das ist der Tenor der Kritiken. „Devid Striesow stellt diesen Menschen mit einer solchen Wucht auf die Bühne – er müsste kein Wort sagen, und der Zuschauer würde seine Verzweiflung trotzdem wittern wie eine leise Bewegung in der Luft. Sein Lopachin hat bekommen, was er immer glaubte zu wollen, und er leidet unendlich. Hinter dieser Mauer sind keine Kirschen. Da ist gar nichts“, heißt es bei Andrea Heinz. „Lensing und Hein versetzen die Geschichte in eine totale Postmoderne.

Sie tun das nicht etwa mittels alberner Modernisierung (auch wenn Devid Striesow einmal ein affiges Glitzerhemd trägt), sie drehen einfach nur an der Gemütsverfassung ihrer Figuren herum. Hier wird die Frage nach einem Verkauf verhandelt, ohne zu handeln. Heraus kommt eine Inszenierung, in der man meint, die blankliegenden Nervenfasern der Darsteller sehen zu können.“ Dies ist in einen größeren Kontext eingebettet: „Es geht hier um die Verfasstheit des Menschen, dessen Gott tot ist. Diese Menschen suchen etwas, sie nennen es Geld oder Liebe, Paris oder Kirschgarten. Am Ende aber suchen sie nach etwas, das sie vollständig macht, und sie zerbrechen, weil sie einfach nicht wissen, was das sein könnte.“

Nach Santiago de Compostela

Spielfreudigkeit wird also großgeschrieben in diesem „Kirschgarten“. Dennoch ist es nicht selbstverständlich, dass sich so prominente Schauspieler wie Devid Striesow, Joachim Król und Ursina Lardi zu einer gemeinsamen Theaterproduktion verabreden inklusive Gastspielverpflichtungen in dieser Konstellation, haben sie doch auch viele Verpflichtungen in großen Filmproduktionen. Striesow etwa, der auch regelmäßig als Kommissar der TV-Serie „Tatort“ auftritt, kommt erst an diesem Samstag nach Stuttgart. Zuvor feierte er in Berlin die Uraufführung des Films „Ich bin dann mal weg“. Darin verkörpert er den Komiker Hape Kerkeling, der auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgerte. Das gleichnamige Buch wurde 2006 ein Bestseller.

Und dann gibt es dennoch jenes Theaterglück, in dem solche Zusammenarbeiten scheinbar ganz selbstverständlich möglich werden. Król erinnert sich: „Es war die letzte Vorstellung von Tschechows „Onkel Wanja“ in den Berliner Sophiensälen mit Devid Striesow. Ich hatte Zeit, bekam eine Karte, tout Berlin war da – und das hat mir so gut gefallen, dass ich zu meiner Frau gesagt habe: Wenn die nach der Vorstellung noch etwas im Foyer trinken, dann spreche ich sie an. Gerade als ich das wollte, kam der Regisseur Jan Hein auf mich zu und sagte: ,Hast du nicht Lust, bei uns mitzuspielen?‘“