Milchprotest in Denkendorf: 2009 kippten Landwirte ihre Milch tonnenweise weg, weil sie nichts mehr wert war. Kostendeckend sind die Preise immer noch nicht, sie steigen aktuell aber etwas. Foto: Peter-Michael Petsch

Das vergangene Jahr war für die Milchbauern hart. Und auch derzeit machen die Landwirte mit jeder verkauften Milchtüte Verlust. Die Stimmung der Erzeuger sinkt.

Das vergangene Jahr war für die Milchbauern hart. Und auch derzeit machen die Landwirte mit jeder verkauften Milchtüte Verlust. Die Stimmung der Erzeuger sinkt.

Herr Schaber, mit einer Demonstration in Denkendorf bei Stuttgart haben Sie auf die Lage der Milchbauern aufmerksam gemacht. Wie ist die Stimmung in der Zunft?
Die Stimmung ist gereizt. Nach einem Jahr 2012 mit sehr niedrigen Milchpreisen ist die Lage immer noch nicht zufriedenstellend. Pro erzeugtem Liter Milch fahren die Landwirte zwischen 10 und 15 Cent Verlust ein.

Einen Liter Milch herzustellen kostet derzeit insgesamt etwa 50 Cent. Was springt für die Landwirte dabei raus?
Zurzeit bekommen unsere Betriebe 33, manchmal 34 Cent je Liter Milch. Das ist nach wie vor viel zu wenig.


Eine Firma, die mit ihren Produkten über längere Zeit Miese macht, geht insolvent. Wie schaffen es die Milchbauern, dass ihre Höfe nicht pleitegehen?
Drei bis vier Prozent der Milchbauern geben jedes Jahr auf. Alle anderen zehren von der Substanz. Konkret bedeutet das, dass Investitionen in die Zukunft der Höfe aufgeschoben werden, sei es der Bau neuer Ställe oder der Kauf besserer Maschinen. Immer mehr Menschen in dem Bereich arbeiten auch für kleine Löhne. Meist sind es Familienangehörige, die zurückstecken und quasi kostenlos ackern, um die Zukunft des Hofes zu sichern. Aber es betrifft auch die Angestellten.

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Betriebe leidet also, da sie nicht mehr investieren können?
Ganz genau. Das kann man als Landwirt schon mal einige Jahre verkraften, aber irgendwann ist Schluss.

Welche Produkte rentieren sich gerade für die Bauern am wenigsten?
Trinkmilch und Joghurt rentieren sich zum Glück wieder etwas mehr als im vergangenen Jahr, das für die Branche extrem hart war. Die Preise für Butter und Magermilchpulver entwickeln sich ganz gut. Wir erwarten von den Molkereien, dass sie ihre Preise im Lauf des Sommers von den aktuell rund 33 Cent auf 40 Cent erhöhen.

Die Bauern-Einkommen steigen also grade wieder?
Ja, allerdings hilft uns ein Preishoch über ein halbes Jahr hinweg wenig. Unsere Investitionen sind auf Jahre und Jahrzehnte angelegt. Es ist daher wichtig, dauerhaft auskömmliche Preise zu erwirtschaften. Die Voraussetzungen dafür sind aber denkbar ungünstig.

Wieso?
Der Markt im Milchgeschäft funktioniert nach wie vor nicht. Die Konzentration im Handel ist enorm. Eine Handvoll Discounter steht einer dreistelligen Zahl an Molkereien gegenüber, die wiederum von Zehntausenden Milchbauern beliefert werden. Die Gewichte sind ungleich verteilt. Außerdem soll 2015 nach Willen der EU die Milchquote fallen. Im Zuge der Liberalisierung wäre Europa dann gegenüber Billigmilch von den Weltmärkten ungeschützt. Das wird die Gewinne weiter unter Druck setzen und zu noch größeren Preisschwankungen im Geschäft führen.

Der Trend geht zu überregional tätigen Großmolkereien mit vielen Hundert Bauern unter Vertrag. Das erhöht den Druck auf die Landwirte auch, oder?
Das stimmt. Großmolkereien wie die dänische Arla haben in den vergangenen Monaten auch in Süddeutschland Fuß gefasst. Ganz krass ist die Lage in Norddeutschland, wo die größte deutsche Molkerei, DMK, fast ein Viertel der gesamten deutschen Produktion verarbeitet. Viele Bauern haben dort über Hunderte Kilometer hinweg keine Alternative, als zu dieser Molkerei zu liefern. Das ist fast ein Monopol. Wir betrachten diese Tendenzen daher mit größter Sorge. Die Entwicklung zeigt auch, dass kleine Molkereien als erste Probleme bekommen. Im Südwesten steht etwa die Ravensburger Traditionsmolkerei Omira als Folge der immer stärker schwankenden Preise unter Druck. Seit Monaten bluten dort die Bauern wegen niedriger Milchpreise.

Im Supermarkt sind einige Produkte wie Milch oder Butter teurer geworden. Was bleibt davon bei den Erzeugern hängen?
Jedenfalls nicht der Löwenanteil. Allgemein sind die Waren einfach viel zu günstig. Vergangenes Jahr konnte man einen Liter Milch bei Aldi für unter 50 Cent kaufen. Jetzt sind wir Gott sei Dank etwas höher, bei vielleicht 63 Cent. Aber auch bei diesem Niveau verdient niemand Geld. Weder der Bauer noch die Molkerei, noch der Handel. Das ist alles absolut auf null kalkuliert. Bei Butter ist das ähnlich. Dieses System fährt langfristig gegen die Wand.

Woher kommt der enorme Druck auf den Markt?
Teils liegt es sicher daran, dass der Verbraucher auch gar nicht mehr weiß, was ein Produkt kosten muss, damit sich dessen Erzeugung für alle lohnt, es also nachhaltig ist. Bei Milch liegt dieser Preis etwa bei einem Euro je Tüte im Supermarkt. Darunter geht es fast nicht. Dazu kommt aber auch, dass es ein permanentes leichtes Überangebot an Milch in Europa gibt. Die Überschüsse müssen zu Billigpreisen auf den Weltmarkt gedrückt werden. Daher fordert der BDM seit langem, die Milchproduktion stärker zu beschränken. Nur das kann die Einkommenssituation der Bauern dauerhaft verbessern.

Wenn die Milchquote, die im Moment die Milchmenge in der EU begrenzt, im Jahr 2015 fällt, werden die Milchmengen zwangsläufig steigen. Was droht den Bauern dann?
Wir dürfen uns dieser Entwicklung nicht ergeben, sondern wir müssen handeln. Daher stehen wir Seite an Seite mit dem EU-Parlament, das vorhat, die Milchmenge zumindest in Krisenzeiten künstlich zu verknappen.

Der Deutsche Bauernverband und die Landwirtschaftsministerin sehen dagegen im Export von Milchprodukten einen entscheidenden Schlüssel im Kampf um Marktanteile.
Es macht keinen Sinn, immer noch mehr Milch zu produzieren. Auch nicht für den Export. Das grundsätzliche Problem, dass wir zu viel Menge im Markt haben, wird so nicht gelöst.