Die deutsche Nationalelf legt mit der 1:2-Niederlage gegen Japan mal wieder einen Fehlstart in ein großes Turnier hin. An was hat es gefehlt?
Manuel Neuer flog noch einmal durch den Strafraum – den japanischen, wohlgemerkt. Kam aber nicht an den Ball. Niclas Füllkrug, der WM-Debütant, ging noch einmal zu Boden – allerdings nicht elfmeterreif. Und Leon Goretzka hatte noch eine weitere der großen deutschen Chancen – aber auch der eingewechselte Mittelfeldspieler brachte den Ball nicht unter im japanischen Tor. Weshalb nach über acht Minuten Nachspielzeit die bittere Erkenntnis stand, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mal wieder einen Fehlstart in ein großes Turnier hingelegt hat. „Jetzt“, klagte Thomas Müller, der Routinier, „haben wir den Salat“. Denn nach dem 1:2 gegen Japan geht das Team mit einer riesigen Hypothek in die weiteren Partien.
Vor dem Anpfiff ein Zeichen gegen das Verbot der One-Love-Kapitänsbinde
„Wir sind frustriert“, klagte zudem Manuel Neuer, „das ist eine Riesenenttäuschung für uns“. Erklären konnte sich der deutsche Torhüter und Spielführer das eben Geschehene aber noch nicht wirklich: „Für mich ist es schwer zu verstehen, wie wir dieses Spiel noch aus der Hand geben konnten.“ Auch Thomas Müller, der „geschockt“ war, sagte: „Ich bin ratlos.“ Wobei es durchaus Erklärungen gab für das, was im Auftaktspiel der deutschen Mannschaft gegen Japan geschehen war.
Das DFB-Team, das kurz vor dem Anpfiff beim Mannschaftsfoto noch ein Zeichen gegen das Verbot der One-Love-Kapitänsbinde gesetzt hatte – alle Spieler hielten sich eine Hand vor den Mund –, fand eigentlich gut ins Spiel. Phasenweise schnürte die deutsche Mannschaft die Japaner sogar dicht vor deren Strafraum ein. Es war druckvoll, es war dominant, und es war chancenreich. Nur: Dafür, was alles gut gelaufen war bis dahin, war das Ergebnis noch viel zu knapp.
Neuer und Gündogan vermissten Mut ihrer Kollegen
Mit 1:0 führte das deutsche Team nach 33 Minuten, nachdem Ilkay Gündogan per Elfmeter getroffen hatte – zuvor war David Raum vom japanischen Torhüter Shuichi Gonda gefoult worden. Der Treffer von Kai Havertz (44.) wurde wegen einer Abseitsposition nicht anerkannt, doch spätestens in der ersten Phase der zweiten Hälfte hätte die DFB-Elf nachlegen müssen. Jamal Musiala, der den Vorzug vor seinem Münchner Kollegen Leon Goretzka bekommen hatte, schoss den Ball übers Tor. Ilkay Gündogan traf den Außenpfosten, und der eingewechselte Jonas Hofmann scheiterte nach starker Vorarbeit von Serge Gnabry. Nach und nach aber verlor das deutsche Spiel an Dominanz und Sicherheit.
Neuer und Gündogan monierten hinterher, dass ihre Kollegen plötzlich der Mut verlassen habe. „Ich hatte das Gefühl, dass nicht jeder den Ball wollte“, sagte Torschütze Gündogan. Stattdessen legten die Japaner Offensivkraft von der Bank nach, störten die deutsche Defensive früher und aggressiver – und belohnten sich dafür. „Wir haben“, sagte Neuer, „den Gegner stark gemacht“. Mit der erwähnten mangelhaften Chancenverwertung. Mit dem Zaudern nach der japanischen Umstellung und am Ende auch mit individuellen Fehlern. In der 75. Minute war es Ritsu Doan, der Profi vom SC Freiburg, der reaktionsschnell einen von Manuel Neuer zunächst parierten Ball ins deutsche Tor drückte. Nur acht Minuten später hatte es Takuma Asano besonders einfach.
Nun mit riesigem Druck im zweiten Spiel gegen Spanien
Der Offensivmann vom VfL Bochum, einst auch beim VfB Stuttgart unter Vertrag, schlich sich in den Rücken der deutschen Innenverteidiger Antonio Rüdiger und Nico Schlotterbeck – was nicht weiter schlimm gewesen wäre, hätte der Rechtsverteidiger Niklas Süle nicht das Abseits aufgehoben. „Da muss er einfach aufpassen“, kritisierte Hansi Flick, der Bundestrainer. Denn so reichte ein langer Ball, ein Sprint und ein beherzter Abschluss Asanos, um die deutsche Auftaktniederlage zu besiegeln. „Das ist“, sagte Flick, „brutal enttäuschend“.
Wie bei der WM 2018 (0:1 gegen Mexiko) und der EM 2021 (0:1 gegen Frankreich) startete das DFB-Team also mit einer Niederlage in das Turnier – und hat nun das, was es laut Manuel Neuer „eigentlich vermeiden“ wollte: riesigen Druck im zweiten Spiel gegen Spanien am kommenden Sonntag (20 Uhr). Dritter Gruppengegner ist am 1. Dezember Costa Rica. „Wir haben die Qualität, Spanien zu schlagen“, sagte Hansi Flick. Es war mehr Trotz als Zuversicht.