Da wollen die Deutschen rein: das UN-Gebäude in New York. Foto: dpa

Deutschland strebt mit aller Macht einen Sitz im UN-Sicherheitsrat an. Dabei bedient man sich auch ungewöhnlicher Werbemethoden.

New York - Um den Blick aus seinem Büro kann man Christoph Heusgen beneiden. Wenn der deutsche UN-Botschafter von seinem Schreibtisch im 21. Stock ans Fenster tritt, liegt ihm Manhattan zu Füßen. Doch eine riesige Digitaluhr am gegenüberliegenden Ufer erinnert den 63-Jährigen stets an die harte Realität. Die Kunst-Installation zählt die Tage bis zum Ende der Trump-Präsidentschaft herunter: Mehr als 900 verbleiben – wenn Trump nicht ein zweites Mal kandidiert.

Die Zeiten sind nicht einfach, in denen der diskrete Ex-Berater von Kanzlerin Angela Merkel den Posten des Ständigen Vertreters bei den Vereinten Nationen innehat. Donald Trump hält von internationalen Organisationen wenig. Trotzdem will sich Deutschland bei den UN noch stärker engagieren und einen der zehn nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat übernehmen. Am 8. Juni steht die entscheidende Abstimmung an. „Sicher ist nichts, aber ich bin optimistisch“, sagt Heusgen.

Oktoberfest mi Blasmusik

Mindestens zwei Drittel der Delegierten müssen für Deutschland votieren. Das sind 129 Stimmen. Um sie zu mobilisieren, hat die Bundesregierung eine mächtige Kampagne gestartet: Netzwerke mit afrikanischen Ländern wurden geknüpft, kleinere Inselstaaten im Pazifik mit dem deutschen Engagement beim Klimaschutz umworben. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel lud an einem lauen Spätsommerabend im vorigen Jahr zum großen Oktoberfest mit Blasmusik und bayerischen Spezialitäten an den East River ein. Der aktuelle Amtsinhaber Heiko Maas empfing eine Delegation von UN-Botschaftern in Berlin. Neulich gab es in New York ein Kammerkonzert von Musikern der Berliner Philharmoniker sowie ein Bankett mit Schwarzwälder Kirschtorten für 700 geladene Gäste. Und nun kommt auch noch Lothar Matthäus: Der Ex-Nationalspieler wird für ein Fußballturnier von UN-Botschaftern eingeflogen.

Zwar haben sich die deutschen Chancen drastisch erhöht, seit Israel vor ein paar Wochen seine Kandidatur zurückgezogen hat. Nun bewerben sich nur noch Deutschland und Belgien für zwei freie Plätze in der Zweijahresperiode 2019/20. Doch auch die Höhe des Ergebnisses ist bedeutsam: Schon lange strebt Berlin nämlich einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an. Sollte Deutschland bei der Abstimmung über einen befristeten Sitz schlechter abschneiden als Belgien, könnte man weiter gehende Ambitionen wohl endgültig vergessen.

Ein Gremium in der Selbstblockade

Der Sicherheitsrat hat 15 Mitglieder. Frankreich, Russland, China, Großbritannien und USA gehören ihm fest an. Die übrigen zehn Plätze wechseln alle zwei Jahre. Doch in jüngerer Zeit macht das Gremium vor allem durch seine Selbstblockade von sich reden. So verhindert Russland eine klare Positionierung im Syrien-Krieg. Auch eine kritische Haltung des Sicherheitsrats zur amerikanischen Anerkennung von Jerusalem als israelischer Hauptstadt wurde verhindert – dieses Mal durch das US-Veto. Kurz darauf erklärte die UN-Vollversammlung die Trump-Entscheidung aber mit großer Mehrheit für „null und nichtig“.

Kontrastiert das Dringen auf einen Sicherheitsratssitz nicht mit der üblichen deutschen Zurückhaltung bei internationalen Konflikten? „Nein“, widerspricht Heusgen. Deutschland sei in Afghanistan und in Mali mit Soldaten präsent und stelle eines der größten Truppenkontingente in der EU. Kein Konflikt sei nur militärisch zu lösen. „Wir glauben, dass sich der Sicherheitsrat viel mehr mit der Verhütung von Konflikten beschäftigen sollte“, so der Botschafter. „Und da sind wir Vorreiter.“