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60 Minuten lang bot die deutsche Nationalmannschaft eine Gala gegen Schweden. Dann schwand die Konzentration, das Team geriet mächtig ins Wanken – und fiel. Trotz eines 4:0-Vorsprunges reichte es in Berlin nur zu einem 4:4.  

Berlin - Es waren nur noch wenige Minuten bis zum Abpfiff – der ersten Halbzeit. Und doch waren die Zuschauer im Berliner Olympiastadion bereits in Feierlaune. „Oh, wie ist das schön“, schallte es von den Rängen, und die ausgelassene Stimmung hatte auch einen guten Grund. 3:0 führte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Duell mit Schweden bereits. Sie hatte eine Gala der besonderen Art geboten, mitreißenden Fußball gezeigt und nach der Pause sogar noch das 4:0 folgen lassen. Doch am Ende wären die Gesänge ein klarer Fall von: Zu früh gefreut. Und alle Beteiligten waren fassungslos.

Per Mertesacker stand auf dem Rasen, stemmte die Hände in die Hüften und blickte ins Leere. Andere schlugen die Hände vors Gesicht, und die ersten Versuche, das Geschehene zu erklären, waren von Ratlosigkeit geprägt. „So etwas ist eigentlich unerklärlich“, sagte Bastian Schweinsteiger, „das darf nie im Leben passieren.“ Doch es ist passiert.

Die deutsche Mannschaft hatte das WM-Qualifikationsspiel begonnen, als seien die Hünen aus Schweden eine Horde hüftsteifer Schaufensterpuppen, die zur Gegenwehr nicht fähig sind. Die Jungs von Bundestrainer Joachim Löw kontrollierten das Spiel, gaben den Ball so gut wie gar nicht her, und immer, wenn sie das Tempo schlagartig erhöhten, waren die Männer in Gelb und Blau erst recht überfordert. Fast zwangsläufig fielen die Tore. Erst bediente Marco Reus Miroslav Klose perfekt – und der Torjäger jagte den Ball mit links in die Maschen: 1:0 in der achten Minute. Nur sieben Minuten später gab es Fußball zum mit der Zunge schnalzen. Mesut Özil, Marco Reus, Toni Kroos, Marco Reus, Thomas Müller, Marco Reus, Miroslav Klose – das waren die Stationen bis zum 2:0. Das Stadion tobte, die Augen leuchteten, und als Per Mertesacker im Anschluss an einen Eckball das 3:0 (39.) erzielt hatte, war die Glückseligkeit perfekt. „Oh, wie ist das schön“ – und es ging noch weiter. In der 56. Minute flankte Müller auf Özil, der verarbeitete den Ball grandios und vollendete sicher. 4:0 – mehr Entscheidung war kaum möglich. Doch dann drehte sich der Wind.

Deutsches Team verfiel im Gefühl des sicheren Sieges in eine Art Lethargie

Die Schweden agierten mit dem Mute der Verzweiflung, wurden aggressiver und offensiver. Das deutsche Team dagegen verfiel im Gefühl des sicheren Sieges in eine Art Lethargie. „Jeder hat sich zu sicher gefühlt und einen Schritt weniger gemacht“, sagte Schweinsteiger. Und Toni Kroos ergänzte: „Man sieht, was passieren kann, wenn es scheinbar zu einfach ist.“ Man verliert die Konzentration – was in der 62. Minute erstmals offensichtlich wurde.

Nach einer Flanke von Kim Källström nutzte Zlatan Ibrahimovic einen Stellungsfehler in der deutschen Abwehr und köpfte ein: 4:1. Nur zwei Minuten später verschätzte sich Holger Badstuber erneut, Mikael Lustig zog ab: 4:2. Dann stand Jerome Boateng falsch, Per Mertesacker griff nicht ein, Johan Elmander dagegen traf: 4:3 in der 76. Minute. Das deutsche Team versuchte, den Schalter noch einmal umzulegen – doch das gelang nicht mehr. Und in der Nachspielzeit geschah das schier Unbegreifliche. Ibrahimovic setzte sich, nicht ganz astrein, gegen Mertesacker durch, der Ball erreichte Rasmus Elm, und auch der traf: 4:4.

Das DFB-Team hatte tatsächlich einen 4:0-Vorsprung verspielt – was auch den Bundestrainer ratlos machte. „Ich finde keine Erklärung“, sagte Joachim Löw, „dass wir uns so aus dem Rhythmus bringen lassen, hätte ich nicht geglaubt.“