Fahrt ins Blaue: Im historischen Käfer in Floridablau lässt sich das weiß-blaue Bayern stilvoll erkunden. Foto: Margit Kohl

Auf einer Landpartie durch Oberbayern erleben Cabriofahrer in historischen VW-Käfern eine Zeitreise zurück in die Urlaubswelt der siebziger Jahre.

Sie sind saturngelb, senegalrot oder sumatragrün und verheißen allein schon mit so wohlklingenden Farbnamen die schönsten Urlaubsträume. Die Rede ist von 15 historischen Käfer-Cabriolets aus den siebziger Jahren, die im Innenhof des Münchner Oldtimer-Veranstalters Nostalgic für eine Ausfahrt bereitstehen. Und weil die Autowelt seinerzeit noch wesentlich bunter war als heute, bekommen selbst Nichtautoliebhaber unter den Gästen bei all den Farben bald leuchtende Augen. „Wenn es ein ganz besonderer Wagen sein soll, dann wäre der floridablaue genau der richtige“, sagt Gert Pichler, einer der Firmenchefs. Fuhr doch sein Vorbesitzer, ein IT-Experte aus Amerika, mit diesem Käfer einst direkt zum Traualtar. Doch kaum hat man auf dem Fahrersitz Platz genommen, erlebt man selbst bald sein blaues Wunder. Die nötige Bodenhaftung ist schnell wieder erreicht, denn der Käfer ist ein Auto ganz ohne Extras: keine rückenschonenden Sitze, kein Navi, keine Servolenkung und sämtliche Pedale wollen mit Nachdruck bedient werden. Aber dann, was für ein Sound, wenn 15 Käferfahrer den Anlasser betätigen und dieses unverwechselbare Knattern der luftgekühlten Boxermotoren ertönt. Die Liebe zum Käfer ist für viele Fans schier unverwüstlich, denn seit Generationen wurden weltweit mehr als 23 Millionen Fahrzeuge verkauft.

Los geht die Fahrt

In Richtung Wilparting bekommt der Käfer dann erst mal eine heftigste Dusche, denn der Sommer zeigt sich von seiner besonders nassen Seite. Zum Glück hält das Stoffdach dicht, nur die Scheiben beschlagen von innen. Obwohl die Auswahl an Knöpfen nicht groß ist, findet man den richtigen Schalter für die Lüftung nicht und kurbelt lieber das Fenster runter. Zu sehen ist jetzt endlich auch exakt das, was man unter einem typisch bayerischen Postkartenmotiv versteht: Vor der malerischen Kulisse des Mangfallgebirges steht ein barockes Zwiebelturmkirchlein in hügeliger, saftig grüner Landschaft, in der genüsslich das Fleckvieh grast. Schnell wird noch ein Erinnerungsfoto geknipst vor der Wallfahrtskirche St. Marinus und Anian im Landkreis Miesbach. Mies bleibt leider auch das Wetter. Ausgerechnet die Schnapsidee zweier Oberbayern bringt die Käfer-Ausflügler dann auf ihrem Weg in Richtung Schliersee zu Slyrs-Chef Anton Stetter und seinen 600 Fässern mit bayerischem Whisky. Wert: rund 30 Millionen Euro. Auf die Idee, bayerischen Whisky zu brennen, kamen Stetter und sein Bruder während eines Schottland-Urlaubs. „Eigenwillige Menschen und eine eigenwillige Landschaft. Ganz so wie bei uns in Bayern“, sagt Stetter und blickt von seiner Destille durch ein riesiges Panoramafenster auf den mit Nebelschwaden verhangenen Wendelstein und die unverbauten grünen Wiesen, ganz wie in den schottischen Highlands. Und weil Whisky keine geschützte Marke ist wie Cognac oder Champagner, konnten sich die zwei Oberbayern bald ans Brennen machen und gewannen auch noch eine Goldmedaille für den besten Single Malt, und das ausgerechnet in Großbritannien.

Zweimal olympisches Gold gewonnen hat auch ein anderer, der hier am Schliersee eine ausgefallene Idee verwirklicht hat: der ehemalige Skirennfahrer Markus Wasmeier. Wenn vor seinem Hof plötzlich die Käfer-Ausflügler heranknattern, schauen sogar die Kühe kurz auf, die sich sonst selbst von dröhnenden Milchlastern nicht aus der Ruhe bringen lassen. Um möglichst unverfälscht zu zeigen, wie das bäuerliche Leben vor 300 Jahren war, hat Wasmeier hier ein altbayerisches Museumsdorf eröffnet und inzwischen zwölf Höfe aus dem 18. Jahrhundert, so wie sie auf dem Plateau oberhalb des Schliersees überdauert hatten, umgesiedelt und in die Neuzeit gerettet. „Damit eure Kinder a wissn, dass a Kuah ned lila is“, sagt Wasmeier, der im Dorf noch selbst kräftig mit anpackt und gerade Holzbalken auf einen Leiterwagen verfrachtet. In der Gastwirtschaft wird das Brot noch selbst gebacken, auch Bier und Schnaps sind hausgemacht. Whisky gibt es allerdings keinen, nicht mal einen bayerischen, denn den gab es schließlich vor 300 Jahren noch nicht. Einen gesegneten Appetit bringen die Käferfahrer dann bis zum Abendessen mit, das ganz im Stil der siebziger Jahre vorbereitet ist. Der Koch des Arabella Alpenhotels am Spitzingsee hat ein Büfett mit Fliegenpilzeiern, Mettigeln mit Zwiebelringen und Salzstangen und Hawaii-Toasts hergerichtet. Die Musikauswahl korrespondiert dazu mit Led Zeppelins „Stairway to Heaven“, AC/DCs „Highway to Hell“ oder David Bowies „Heroes“. Die meisten können sich noch gut daran erinnern, wie sie in den Siebzigern nicht wie im Moment mit üppigem Mayonnaise-Nudelsalat, sondern mit dem unsäglichen Bandsalat in ihrem Kassettenrekorder kämpften. Und so gibt es reichlich Gesprächsstoff für einen Abend voller Erinnerungen.

Käfer-Cabrios sind gern gesehen

Am anderen Morgen leuchtet der Himmel dann endlich in den bayerischen Nationalfarben Weiß-Blau. Mit offenem Verdeck geht es heute auf die schönste Fahrstrecke der Tour, die Kesselbergstraße zwischen Kochel- und Walchensee. Die alte Passstraße führt in 23 Kurven über neun Kilometer und 240 Höhenmeter. Auf der Strecke gilt absolutes Überholverbot, und weil hier schneller als 60 Kilometer pro Stunde nicht gefahren werden darf, krabbelt die bunte Käferflotte gemächlich knatternd den Pass rauf und runter. Ausgerechnet beim abschließenden Umweg über den Tegernsee gibt es dann den ersten Stau. Zumindest für die Münchner ist das nichts Neues, denn in Richtung Tegernsee stehen die meisten von ihnen jedes Wochenende sogar freiwillig im Stau, um sich dann von grantelnden Einheimischen als „Isarpreißn“ beschimpfen zu lassen. So nennen die Tegernseer Münchner Schickimickis, die aufgebrezelt wie die Pfingstochsen in ihren Porsche-Cabrios anbrausen, um in der Bräurosl ganz traditionell zum Weißwurstfrühstück aufzuschlagen. Werden solche Luxuskarossen samt Insassen von Einheimischen gerne verächtlich beäugt, haben Tegernseer plötzlich ein wohlwollendes Nicken übrig, wenn man in einem Käfer-Cabrio vorbeifährt. Das darf dann gerne auch ein Münchner Kennzeichen haben.